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Statt auf der Piste steht er nun am Herd

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Statt auf der Piste steht er nun am Herd

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    Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Weiß, Seltmans - Seinen Humor hat Werner Haberstock nicht verloren. Auf die Frage, was er denn nun mache, nachdem ihm der Deutsche Behindertensportverband (DBS) die Zusammenarbeit als Bundestrainer der alpinen Skifahrer gekündigt hat, antwortet der 48-Jährige aus Seltmans (bei Weitnau) mit einer Portion Sarkasmus: 'Blumenkohl überbacken.' Statt auf der Skipiste steht Haberstock nun also am Küchenherd, statt Trainingspläne studiert er Kochbücher. Vielleicht versucht Haberstock mit seinen Späßchen aber auch nur seine Enttäuschung zu überspielen. Denn enttäuscht ist er. Das gibt er ganz offen zu. 'Es war ein Riesen-Schock für mich, als ich erfuhr, dass ich nicht mehr gebraucht werde', sagt er heute, gut vier Monate nach dem internen Mannschaftstreffen. Aktivensprecher Michael Hipp hatte - wie er selbst sagt - 'die äußerst unangenehme Aufgabe, dem lieben Kerl Werner Haberstock diese Nachricht zu überbringen.' Trotz der schönen Worte ('Wir sind ihm sehr dankbar') blieb unterm Strich stehen: die Mannschaft will einen Neuanfang. Und einen neuen Trainer. Ein Misstrauensvotum, das aus dem Honorartrainer Haberstock plötzlich den Hausmann Haberstock macht.

    'Kleine Unstimmigkeiten' Wie so oft bei Trainerwechseln ist ein Nachhaken nach den Gründen nicht sonderlich ergiebig. Von 'ganz natürlichen Abnutzungserscheinungen' spricht Frank Thomas Hartleb, Sportdirektor des DBS. Hipp, mittlerweile vom Aktivensprecher zum Abteilungsleiter Ski alpin im DBS bestimmt, nennt 'kleine Unstimmigkeiten, wie sie nun mal üblich sind, wenn mehrere Menschen aufeinandertreffen.' Fachlich sei überhaupt nichts an der Arbeit Haberstocks auszusetzen gewesen, 'wenn überhaupt, dann an Kleinigkeiten im Zwischenmenschlichen'. So richtig raus mit der Sprache will aber auch er nicht. Mehr Aufschluss gibt ein Satz von Team-Mitglied Tom Mayer aus Seeg. Angesprochen darauf, warum denn keiner in der Mannschaft offen mit Haberstock über etwaige Probleme gesprochen hat, meint Mayer: 'Das ist schon passiert, aber er hat halt nicht darauf reagiert.' Mayr, der drei Jahre 'prima und ohne Probleme mit Haberstock trainierte', will aber nicht mehr sagen: 'Das war eine Solidar-Aktion des gesamten Teams. Und ich bin ein Teil davon.'

    'Antennen feiner einstellen' Mangelnde Kritikfähigkeit streitet Haberstock im Nachhinein nicht ab. Selbstkritisch bemerkt er: 'Vielleicht hätte ich meine Antennen ein bisschen feiner einstellen sollen. Dann hätte ich gespürt, was sich da in einigen Hinterköpfen abspielt.' Zitat Meine Mannschaft wollte neue Besen und war wohl der Meinung, dass meine Borsten nicht mehr gut genug sind.} Werner Haberstock zu seiner Kündigung beim Deutschen Behindertensportverband. Zwölf Jahre hat der Nichtbehinderte Haberstock mit Querschnittsgelähmten, Bein- und Armamputierten zusammengearbeitet. 'Diese Erfahrungen will ich nie missen. Ich bin mir sicher, ich war mit Abstand der größte Fan dieser Mannschaft.' Und an den Erfolgen bei den vier paralympischen Winterspielen in Albertville, Lillehammer, Nagano und Salt Lake City nimmt Haberstock für sich in Anspruch, 'einen großen Teil zum Erfolg beigetragen zu haben'. Zuletzt in Salt Lake City war die deutsche Alpin-Mannschaft mit acht Gold- und sechs Bronze-Medaillen die mit Abstand erfolgreichste. Was er künftig macht, steht noch in den Sternen. 'Irgendwo Skilehrer machen, ist nicht so mein Ding'. Eine Tätigkeit in der Skiindustrie fände er schon interessanter. Rückblickend sagt Haberstock: 'Es gibt auch noch andere Dinge im Leben, als ständig auf der Skipiste zu stehen und anderen zu erklären, wie man um Tore und Stangen fährt.' Seine Frau, seine Tochter Mona (14) und sein Sohn Manuel (21) werden in erster Linie 'profitieren': 'Die haben jetzt wieder ein bisschen mehr von mir.' Spricht\'s und geht wieder zum Herd: 'Nicht, dass der Blumenkohl noch verbrennt.'

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