Was haben das Kaufbeurer Stadtmuseum und das Kaufbeurer Tagblatt gemeinsam? Sie feiern heuer beide 135. Geburtstag.
Parallelen lassen sich aber auch noch andere finden: Beide haben sich aus bescheidenen Anfängen engagierter Bürger zu stattlichen Häusern entwickelt; beide haben in diesen vielen Jahrzehnten einiges in ihren Archiven angesammelt, was zurecht Gedächtnis der Stadt genannt werden darf – und beide haben sich auf die Fahnen geschrieben, nicht stehen zu bleiben, auch die Zukunft im Blick zu behalten, ihren Nutzern immer wieder Neues zu bieten.
Vorbildlich gelungen ist das dem Stadtmuseum – dem ältesten Museum im Allgäu und einem der ältesten in Schwaben – in der jüngsten Vergangenheit. Zwar musste das historische Gebäude im Kaisergäßchen 2002 wegen statischer Probleme geschlossen werden, doch heute präsentiert es sich in umso strahlenderem Glanz. In den elf Jahren bis 2013 wurde diskutiert und geplant, wurden Objekte ausgelagert und neu sortiert, ein Architektenwettbewerb ausgelobt und schließlich mehrere Jahre lang um- und angebaut. Fast genau vor einem Jahr öffneten sich die Türen dann zum ersten Mal wieder für die Kaufbeurer Bürger und Museumsliebhaber aus dem ganzen Land. In ein Haus, das sich komplett verwandelt hatte – und das dafür sogar mit dem begehrten Bayerischen Museumspreis 2013 ausgezeichnet wurde.
Über 10 000 Besucher strömten in den vergangenen zwölf Monaten ins Stadtmuseum, ein Riesenerfolg für die Museumsmacher, denn vorher wurden nur etwa 1 000 pro Jahr gezählt. Obwohl die Ausstellung enorm reduziert wurde und heute ein großer Teil der angesammelten Exponate im Depot schlummert, reicht ein einziger Besuch natürlich bei weitem nicht aus, wenn man sich in die verschiedenen Sammlungen vertiefen möchte, die hier nur kurz angerissen seien.
Typisch Kaufbeuren
In der Dauerausstellung können Besucher die Entwicklung Kaufbeurens verfolgen, von der freien Reichsstadt bis zur bayerischen Kleinstadt in der Zeit der Industrialisierung. Die Spurensuche fördert die typischen Seiten Kaufbeurens zutage: seine Bedeutung als Zentrum der Textilherstellung und seine seit der Reformation ausgeprägte Konfessionskultur. In einer Medienstation bringen kleine Filme Bewegung in die Kaufbeurer Geschichte, beispielsweise ein kleiner Streifen über das Tänzelfest aus dem Jahr 1924, der bei den Bürgern besonders beliebt ist.
Kreuze und Heilige
Zu den herausragenden Sammlungen des Stadtmuseums gehört die Kruzifixsammlung mit rund 300 Kreuzen. Sie ist in ihrer Epochen- und Formenvielfalt eine der bedeutendsten und umfangreichsten ihrer Art in Süddeutschland. Ein Raum in diesem Bereich ist der Heiligen Crescentia gewidmet. Damit haben auch Pilger, die außerhalb der Kloster-Öffnungszeiten nach Kaufbeuren kommen, Gelegenheit, sich über die Heilige zu informieren.
Seit 1901 wird das Ensemble der Bauernstuben im Museumsgebäude im Kaisergäßchen präsentiert. In seiner Zusammenstellung gibt es Zeugnis von der Idyllisierung des ländlichen Lebens um die Jahrhundertwende. Dank sorgsamer Ergänzungen erfährt der Besucher heute aber auch, wie es wirklich war.
Bekenntnisse aus Glas
Eine weitere herausragende Besonderheit der Sammlung sind die protestantischen Hinterglasbilder. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand in Kaufbeuren ein Produktionszentrum für diese außergewöhnlichen Bilder mit ihrer typisch protestantischen Bildsprache. Entdecken kann man in ihnen auch, wieso gerade der preußische König Friedrich der Große in Kaufbeuren porträtiert wurde. Erst vor wenigen Wochen hat der Förderverein des Museums die Sammlung um drei neu erworbene und restaurierte Bilder ergänzt.
Mit spitzer Feder
Auch den berühmten Söhnen und Töchtern der Stadt, die sich mit ihrem literarischen Schaffen einen festen Platz in der Literaturgeschichte erschrieben haben, ist ein Stockwerk gewidmet: Hans Magnus Enzensberger, Ludwig Ganghofer, Sophie La Roche und Christian Jakob Wagenseil. Auch in diesen Räumen haben die Gestalter bei der Inszenierung aus dem Vollen geschöpft. Gedichte werden rezitiert, Ganghofers Schreibtisch dreht sich vor einer Bergkulisse, La Roches berühmter literarischer Salon wurde nachgebaut, in Schränken, Regalen und Schubladen finden Literaturfreunde zahlreiche Informationen über die Autoren.
Museum für alle
Die Museumspädagogik mit verschiedenen Angeboten vom Kindergartenalter bis zur 10. Klasse ist ein fester Bestandteil des Stadtmuseums. Im eigens dafür eingerichteten Raum können gestalterische Arbeiten im Anschluss an Führungen oder auch Workshops durchgeführt werden. Angeboten werden Führungen zu verschiedensten Themen, darunter ein Programm und Führungen speziell für Blinde und Sehbehinderte mit Taststationen. Eine spezielle Führung gibt es auch für Senioren. Familien mit Kindern bietet das Stadtmuseum mit seinem in die Dauerausstellung integriertem Kinderpfad eine spannende Abwechslung, in der die Kinder selbst aktiv in der Ausstellung unterwegs sind. Audioguides zur Dauerausstellung sind kostenlos an der Kasse erhältlich.
Adresse: Stadtmuseum Kaufbeuren, Kaisergäßchen 12-14, Telefon 0 83 41/9 66 83 90, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.