Spielhallen. Sie sollen in erster Linie Spaß bringen. Das ist das eine. Das andere ist die Sache mit dem Glück. Denn manch einer sucht das seine am Automaten und verirrt sich dann in der Sucht. So beschreibt Irina (Name geändert) ihre Geschichte. Heute. Nachdem sie ihr Leben komplett auf den Kopf stellte.
"Man stumpft ja ab." Irinas Blick ist starr. "Irgendwann merkt man nicht mehr, wie viel Geld man in den Automaten wirft." Mit ein paar Euro hat sie angefangen. Zum Zeitvertreib, um nachts die Wartezeiten als Taxifahrerin zu überbrücken. Dann waren es 250 Euro. Am Abend. Immer wieder schielte ihr Blick auf Flyer zum Thema Spielsucht. Sie liegen in allen Spielhallen aus. Spielerschutz. Dazu gehören auch die Aufkleber auf den Automaten, die mit Hotline-Nummern versehen sind. In konzessionierten Spielbanken werden Besucher registriert und gegebenenfalls gesperrt. Irina half sich dann selbst. Fünf Monate hat sie mit sich gerungen, bis sie sich eingestand, was sie schon lange wusste: "Ich bin spielsüchtig."
23 Spielhallen im Oberallgäu
Irinas Sucht begann in einer Spielothek in Immenstadt. Eine von derzeit 23 im Oberallgäu. Dort sind laut Landratsamt 216 Automaten oder "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit", wie sie im Behördendeutsch heißen, aufgestellt. Mit Konzession. Ohne dürfen in Gaststätten bis zu drei solcher Geräte zum Spielen locken. Die Tendenz zu Spielhallen ist steigend. Das belegen die Zahlen auf entsprechende Konzessionsanträge im Landkreis. 2008: ein Antrag, 2009 drei und 2010 fünf. Wie berichtet soll laut Bauantrag in Oberstaufen ebenfalls eine weitere Spielhalle entstehen. Es wäre die zweite im Ort.
"Wie Geld drucken"
"Es ist wie Geld drucken." Der Grund warum immer mehr Spielhallen entstehen liegt für Peter Ziegler, Leiter der Suchtberatungsstelle der Caritas in Kempten, auf der Hand. Die Ursache jedoch woanders. 2006 trat eine neue Spielverordnung in Kraft. Sie löste Richtlinien ab, deren Grundstruktur aus dem Jahr 1953 stammt. Damit ermöglicht die neue Verordnung moderne Automaten mit programmiertem Glück: maximal 80 Euro Verlust pro Stunde bei maximal 500 Euro Gewinn pro Stunde. Dazwischen liegt viel Spielraum. Laut Ziegler zocken Süchtige oft an mehreren Automaten gleichzeitig und verlieren Summen im vierstelligen Bereich.
Irina hatte sogar einmal Glück. Vermeintlich. Sie gewann 1500 Euro. Gut die Hälfte verlor sie dann wieder. "Früher oder später holt es sich der Automat wieder zurück." Ständig jagte sie ihr Glück. Irina besuchte über drei Jahre Spielhallen, Spielotheken oder die einschlägigen Casinos - bewusst in Annäherung an konzessionierte Spielbanken benannt. Im Innern unterscheiden sich die Spielhöllen jedoch kaum: rot farbener Teppichboden, diffuses Licht, Kunststoff-Pflanzen und die blinkenden Flimmerkisten mit ihren verchromten Armaturen. Es liegen Bonbons herum und der Kaffee ist umsonst. Und weil niemand redet, sich freut oder flucht, bleibt das einzige Geräusch das monotone Piepsen der Automaten. Ein verführerisches Lächeln erhält man vom Personal, wenn sie einem zuweilen Geld zustecken. "Da nimm die zehn Euro und spiel ein wenig, hat sie gemeint.
Wer sagt da schon Nein?" Damals war Irina ein neues Gesicht. Damals hat heute jedoch nichts mehr mit dem Leben der 36-Jährigen gemein. Therapie, drei Monate Klinik, Gruppengespräche und zahllose Rückfälle später hat sie einen Schlussstrich gezogen.
Vergnügungsviertel verhindern
"Sie zahlen deutlich mehr Miete als andere." Manfred Schmidt weiß, warum die Hallenbetreiber ihre Räumlichkeiten bekommen. Er ist Fachbereichsleiter der Bauverwaltung Sonthofen. Mitte 2010 wollten sich im Handwerkshof vier weitere Spielhallen ansiedeln. Der eigentliche Gewerbestandort büße "deutlich an Seriosität" ein. Schmidt erklärte damals dem Stadtrat die Konsequenzen, würde man nicht handeln. Das einzige Werkzeug der Kommunen: der Bebauungsplan. Er unterscheidet zwischen Vergnügungs- und Gewerbegebiet. Mehr Spielhallen soll es nun im Handwerkshof nicht geben.
Ein Freispiel. Irina wirkt zufrieden. Heute. Sie gab ihren alten Job als Taxifahrerin auf, trennte sich vom Partner, zog mit ihren beiden Kindern weg und fand letztendlich eine Anstellung als Zimmermädchen in einem Hotel. Sie sagt, sie liebt ihr neues Leben, ihren Job. Heute hat sie Strukturen, die ihr Halt geben. Heute ist sie um einige Erkenntnisse reicher. Und eine davon ist die, dass Automaten einen nicht umarmen können.