Wenn der Pilot des Eurofighters mit bis zu zweifacher Schallgeschwindigkeit den Luftraum sichert, muss das Material des Hightech-Jets nicht nur dem Feind, sondern auch gewagten Flugmanövern und harten Turbulenzen trotzen. Am Boden scheint das robuste Fluggerät jedoch etwas anfälliger zu sein. Und etwas sperriger als ein edles Piano oder millionenschweres Gemälde ist der Kampfjet allemal. Doch Speditionsgut ist Speditionsgut.
In Kaufbeuren geht heute Abend ein Eurofighter auf seine Reise nach Manching. In der Kaufbeurer Luftwaffenschule diente er einige Jahre lang als Schulungsobjekt, nun wird er beim Hersteller EADS wieder flugfertig gemacht. Für die Bundeswehr, die Spedition und gut 25 beteiligte Behörden eine logistische Herausforderung.
Wichtig: Ruhe bewahren
Trotzdem: Wichtig ist es, Ruhe zu bewahren. Das ist die Prämisse von Detlef Möschk, der heute Abend am Steuer seines Sattelschleppers sitzt. Hinten auf der Ladefläche das 70 Millionen teure Fluggerät. "Wenn Hektik aufkommt, passieren Fehler", sagt der Mann, der in seinem Leben bereits zweimal einen Eurofighter chauffiert hat. Außergewöhnlich an dieser Fracht ist die Breite von elf Metern. "Das hat es auf der Straße vermutlich noch nicht gegeben", so Möschk.
Währenddessen zurren Arbeiter auf dem Fliegerhorst das neun Tonnen schwere Fluggerät auf dem Sattelschlepper mit Spanngurten fest. Der Rumpf liegt einzig auf Spezialsockeln. Möschk beruhigt: "Jeder Gurt hält fünf Tonnen." Viele Arbeiter laufen an diesem Montag um den Jet herum, zurren fest, schrauben und kleben ab. Jeder Handgriff sitzt, doch beim unbedarften Beobachter bleiben Fragen. Warum fliegt die Maschine nicht nach Manching? Was verbirgt sich unter den Abdeckungen? Warum bleiben die Tragflächen dran? Die Antworten finden sich in der technischen Vorgeschichte und der wochenlangen Vorbereitung des Transportes. Der Jet ist nicht flugfähig, weil er bisher als Schulungsobjekt diente. In Manching wird er von EADS auf den neusten technischen Stand gebracht, erhält seine Verkehrszulassung zurück.
Dann wird er wieder einsatzbereit sein. Doch wenn der Flieger nun über öffentliche Straßen rollt, gelten strenge Vorschriften, weswegen "sicherheitsrelevante Vorrichtungen" demontiert oder abgedeckt wurden. So wird unter anderem die "Tailnumber", das Kennzeichen des Flugzeugs, verhüllt, das Cockpit bekommt eine grüne Haube. "Das ist eben modernstes Waffensystem", sagt der Bundeswehr-Logistikexperte Oliver Brungs. Die Demontage der Tragflächen hätte zwar die Fahrt deutlich erleichtert und verkürzt, aber die technische Vor- und Nachbereitung komplizierter gemacht, da der Eurofighter ein technisches Gemeinschaftsprojekt mehrerer Nationen ist. Die hoch aufragende Finne, also das Seitenleitwerk, und die Triebwerke wurden dagegen abgeschraubt.
Der Transport stellt auch für die Luftwaffe eine Besonderheit dar. Das zeigt sich unter anderem daran, dass Thomas Schwab von der Pressestelle des Fliegerhorstes ein Team von BW TV, eines internen Informationsdienstes der Streitkräfte, betreut. Das vierköpfige Filmteam ist aus Nordrhein-Westfalen angereist und begleitet den Transport. Zahlreiche Zuschauer wird es heute Abend vermutlich auch auf ziviler Seite geben. Der Transport durchs Stadtgebiet, auf der B12 bis zur Autobahn-Anschlussstelle Jengen/Kaufbeuren an der A96 sowie auf der Autobahn selbst wird die Wege etlicher Autofahrer verlängern, aber auch für Fotomotive sorgen. Allein im Stadtgebiet würden 15 Schilder und sieben Ampeln demontiert, damit der Lkw durchkommt, zählt der Kaufbeurer Bauhofleiter Georgio Buchs auf. "Ein paar Baumäste wird man wohl auch mit Spanngurten wegbiegen müssen."
Thomas Wegst von der Kaufbeurer Polizei rechnet nicht mit Zwischenfällen, da man bereits bei einem Eurofighter-Transport im Jahr 2005 Erfahrungen sammeln konnte, mit allen Beteiligten jedes Detail besprochen hat und die Fahrt im Ostallgäu in den Abendstunden stattfindet. Trotzdem werde es entlang der Fahrtstrecke zu Sperrungen und Behinderungen kommen. So wendig und leicht der Eurofighter in der Luft ist, so schwerfällig ist er eben am Boden. Autofahrer sollten es heute also wie Lkw-Fahrer Detlef Möschk halten: Ruhig Blut bewahren.
siehe Allgäu Rundschau