Oberallgäu (kro). - 'Der Sommeranfang ist die Hochzeit der heimischen Wildkräuter', machen Gerti Epple aus Niedersonthofen und Traudi Winklmann aus Weitnau aufmerksam. Die beiden gehören zum Verein 'Allgäuer Kräuterland' und nennen sich 'Wildkräuterfrauen'. Sie kennen sich nicht nur mit Pflanzen aus, sondern wissen auch um die Bräuche und Geschichten, die sich um Grünes und Blühendes ranken.'Johanniskraut, Baldrian, Beifuß, Holunder, die streng geschützte Arnika, die Ringelblume oder die Gundelrebe bezeichnet man auch als Sonnwendkräuter,' sagt Gerti Epple und fügt an, dass sich deren Blütezeit durch den lang anhaltenden Winter in diesem Jahr verspätet hat. Gerti Epple war schon als Kind mit Heilkräutern vertraut. Vieles habe sie von ihrem Großvater und von der Mutter gelernt und sich das Weitere mit Hilfe von Literatur und durch den Besuch von Seminaren und Workshops angeeignet. Heute führt sie selbst Kräuterwanderungen durch und bildet Wildkräuterführer aus.
Naturgeister friedlich gestimmt Viele Bräuche, die sich um die Sonnwendkräuter ranken, würden noch aus der Zeit der Kelten stammen, als die Menschen noch keinen Kalender kannten und den Jahresablauf nach der Sonne ausrichteten. Damals habe man auch geglaubt, dass am längsten Tag des Jahres die Sonne still stehen würde. Dankes- und Fruchtbarkeitsfeste seien veranstaltet worden, um die Naturgeister friedlich zu stimmen. Als Fruchtbarkeitssymbol habe beispielsweise der Beifuß gegolten, den sich Frauen zum Kranz gebunden um die Hüften legten. Während der Chistianisierung seien dann die heidnischen Riten und Bräuche abgeschafft worden. Mit der Renaissance der Kräuter sei heute wieder uraltes Brauchtum zum Leben erwacht. Gerti Epple: 'Die Grenze zur Mystik ist dabei fließend.' weiß Gerti Epple, die sich selbst der 'praktischen Arbeit mit Kräutern' widmet. So sei ihr Notfallmittel bei Schürfwunden und Insektenstichen beispielsweise der unscheinbare Spitzwegerich, der duch seinen hohen Gehalt an Gerbstoffen eine blutstilliende und zusammenziehende Wirkung habe. Aus den 'Kräutern für alle Fälle' stellt sie Salben und Tinkturen her. Aber auch wahre Genussmittel wie den klassischen Holunderblüten-Sirup, den ausgleichenden Melisse-Sirup, Liköre und auch Wein.
Kräuter als kostbares Gut Auch Traudi Winklmann vertraut auf prktisches Brauchtum im Jahresablauf. Sie hat als Kind in Oberbayern den Sommer mit ihrem Vater auf einer Alm verbracht. 'Behutsam' mit den Heilkräutern aus der Natur umgehen, ist ihr ein besonderes Anliegen, denn 'sie sind ein kostbares Gut bei vielerlei Beschwerden.' So begleite etwa der Frauenmantel das Leben von der Pubertät bis zu den Wechseljahren und das Eisenkraut wirke nach der Entbindung zusammenziehend und austreibend. Der stumpfblättrige Ampfer sei ideal zum Kühlen bei heißen Entzündungen und alle Frühjahrskräuter wie Brenessel, Löwenzahn und Gänseblühmchen in der Küche ebenso unverzichtbar wie die bekannten Gewürzkräuter Wermut, Oregano oder Estragon. Mit Christi Himmelfahrt am 15. August beginne dann die Zeit der 'Himmelfahrtskräuter', jener Herbstblüher, deren Ernte eine besondere Sorgfalt erfordere. Dass 'Wurzelgaben' das Ende einer Pflanze bedeuten, darüber sind sich die Wildkräuterfrauen bewusst.