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So eine treue Seele wünscht sich jeder Sportverein

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So eine treue Seele wünscht sich jeder Sportverein

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    Von Tobias Schuhwerk|SulzbergNatürlich hat Zenzi Linder noch Wünsche. Aber mit 88 Jahren klingen sie anders als die von jungen Leuten; sie haben nichts mit materiellen Dingen zu tun, sondern mit einem gnädigen Herrgott. 'Ich wünsche mir Gesundheit - und dass er mich schnell holt, wenn es so weit ist.' Die alte Dame im weinroten Pullover hat noch nie gejammert und sie hofft, dass sie das niemals tun muss. Sie will Haltung bewahren, bis zum Schluss. Zenzi Linder ist schließlich Turnerin gewesen. Das prägt fürs Leben.

    Einen Stock? 'Brauch ich nicht'

    Auch heute noch: Aufrecht sitzt die fünffache Urgroßmutter am Tisch in der Wohnstube, täglich läuft sie fünf Mal die 24 Stufen zu ihrem 'Reich' im Obergeschoss des alten Familienhauses gleich neben der Sulzberger Kirche rauf und runter. Und und beim Spaziergang denkt sie an alles mögliche - nur nicht daran, sich auf einen Stock zu stützen. 'So ‘was', sagt sie mit abweisender Handbewegung, 'brauch ich nicht.' Als die Seniorin vor kurzem ihren großen Auftritt hatte, ist sie forsch durch den Saal nach vorn marschiert. Wie man sich das eben vorstellt bei jemandem, der außergewöhnliches vollbracht hat: Seit 75 Jahren ist sie Mitglied beim TSV Sulzberg. Einmalig in der Vereinsgeschichte. Selbstverständlich für die Jubilarin: 'Warum hätte ich je austreten sollen? So viel schöne Sachen wie ich dort erlebt habe'.

    Sport - das bedeutete in ihrer Jugend Abenteuer. Rauskommen aus dem Dorf. Zumindest bis nach Durach oder Kempten. 'Fast jeden Sonntag gab’s einen anderen Wettkampf und oft waren fesche Kerle dabei', erinnert sich Zenzi Linder mit einem verschmitzten Grinsen. Über die Strenge schlagen, durfte sie freilich nicht. Darüber wachte schon ihr Vater, der als Vorsitzender hohe Maßstäbe bei der Tochter ansetzte. 'Wenn ich nicht unter den ersten fünf gewesen bin, konnt’ der ganz schön grantig werden!' Heute kann sie darüber lachen. Genauso wie über die Turnstunden beim 'oberen Wirt', im Saal des Gasthofs Hirsch, wo Barren und Matten aufgebaut wurden. 'Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen.' Wie auch, wenn man bedenkt, was seit ihrer Jugend alles passiert ist: die Wirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg, das Wunder von Bern, die Wiedervereinigung und - abseits der großen Bühnen - die Veränderungen im eigenen Leben. Die Hochzeit mit Dietrich Linder, der später TSV-Vorsitzender wurde, im Jahre 1944. Ein zwischenzeitlicher Umzug nach Bad Hersfeld Ende der 50-er Jahre. Die Geburt von drei Kindern, sechs Enkeln und fünf Urenkeln. Aber auch: Der Tod ihres Mannes vor sechs Jahren und der von vielen ehemaligen Sportskameraden.

    Egal ob heiter oder traurig - eines blieb ihr heilig: ihr TSV Sulzberg. 'Das ist meine Welt.' Bis kürzlich hat Zenzi Linder die Heimspiele der Fußballer besucht, bei denen zwei Enkel mitspielen. So eine treue Seele wünschen sich die Vereine - in einer Zeit, in der Mitglieder nach Ablauf ihrer aktiven Karriere oft austreten.

    Zenzi Linder ist stolz darauf, dass die Sportbegeisterung weiterlebt. Das jüngste TSV-Mitglied im Hause Linder heißt Hannah. Sie ist zwei Jahre alt und besucht die Mutter-Kind-Turngruppe. 'So früh', sagt sie, 'hab ich nicht mit Sport angefangen.' Und das will was heißen.

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