Füssen (mic). Raffaela Zintl ist nervös, wippt unruhig mit dem Fuß. Sie würde gern Floristin werden, sitzt nun im Bewerbungsgespräch. Doch ein Gespräch kommt nur langsam in Gang. Noch nervöser wird sie, als ihr Gesprächspartner in der Bewerbung einen inhaltlichen Fehler entdeckt. Zum Glück geht es hier nicht ums Ganze, sondern um ein Planspiel. Schüler der Abschlussklassen an der Anton-Sturm-Hauptschule in Füssen erleben als Bewerbungstraining simulierte Gespräche mit 'echten' Personalchefs. Das Projekt dauert eine Woche, Vertreter lokaler Handwerksbetriebe, Firmen und Institutionen arbeiten mit der Hauptschule zusammen und führen mit den Schülern die Vorstellungsgespräche. 'Wir machen hier mit, weil wir einen sozialen Auftrag in der Gesellschaft haben', sagt Roberto Signore, Bezirksleiter der Deutschen Beamtenkasse 'Debeka' in Kaufbeuren. Die Wirtschaft und das Bildungssystem hätten sich auseinander gelebt, wichtig sei, dass sie wieder zusammenwachsen. Ziel des Trainings sei es vor diesem Hintergrund, Jugendliche mit einer realen Bewerbungssituation zu konfrontieren, ehe sie 'ins kalte Wasser geschmissen' würden. Wie sich in Raffaelas Gespräch zeigt ist das gut so: 'Komisch fand ich vor allem, über mich selbst zu reden', sagt die 15-Jährige. Und will in kommenden Gesprächen von sich aus mehr erzählen. Signores Beobachtungen in den gespielten wie auch in realen Bewerbungssituationen ähneln sich.
Seine Tipps für die Schüler: Schlechter als eine drei sollte keine Note im Zeugnis sein. 'Auch in handwerklichen Betrieben sind Noten durch unser duales System wichtig. Der Auszubildende mag sonst zwar die Praxis packen, aber mit zu schlechten Noten in der Berufsschule versumpfen.' Zudem sollte ein gewisses Grundwissen vorhanden sein. Viele Schüler wüssten nicht einmal, was der Begriff 'duales System' heißt, hat der Bezirksleiter festgestellt. Zudem hat er beobachtet, dass sich viele Schüler zu spät bewerben. 'Möglichst mit dem Achtklasszeugnis, sonst sind viele Stellen vergeben, ehe die Jugendlichen überhaupt die erste Bewerbung geschrieben haben.' Auch sei es wichtig, Interesse am Unternehmen zu zeigen: Persönlich anrufen, keine Standardbewerbungen, sondern individuelle Anschreiben, Praktika absolvieren und sich vor dem Bewerbungsgespräch über die Firma schlau machen, empfiehlt Signore. All diese Tipps erhalten die Schüler der Füssener Hauptschule in Anschluss an die Gespräche. 'Ich weiß jetzt, dass ich eine ordentlichere Bewerbungsmappe abgeben muss', nimmt die 14-jährige Catharina Vogel aus dem Bewerbungstraining mit. Schwer fiel ihr vor allem, politische Fragen zu beantworten. 'Ich wurde gefragt, wen ich wählen würde, Mit 14 Jahren macht man sich darüber wenig Gedanken', sagt sie. Will sich aber nun vor den ersten 'echten' Bewerbungsgesprächen mit Hilfe ihrer Familie schlau machen. Ergänzend zu den 'Bewerbungsgesprächen' können die Füssener Hauptschüler während des Planspiels ein Gespräch mit einem Berufsberater führen. 'Das ist gut. Ich weiß zwar eigentlich schon, was ich werden will, aber vielleicht hat der Berater ja noch weitere Berufsvorschläge, die mir bisher einfach nicht eingefallen sind', sagt Catharina.