Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Selbst im Schnee geht Edmund Eisele barfuß

Kreuzthal | Von Freddy Schissler

Selbst im Schnee geht Edmund Eisele barfuß

    • |
    • |
    Selbst im Schnee geht Edmund Eisele barfuß
    Selbst im Schnee geht Edmund Eisele barfuß Foto: roland rasemann

    Unbemerkt bleibt Edmund Eisele nicht an diesem Nachmittag beim Einkaufen in der Fußgängerzone des Städtchens Isny. Nun ist der Endvierziger keiner, der besonders groß ist. Oder übermäßig dick. Er trägt auch keine außergewöhnliche Kleidung, und doch bleiben Leute stehen, drehen sich um und schauen dem Mann einen Augenblick hinterher. Edmund Eisele ist an diesem Tag ohne Schuhe und Socken unterwegs.

    Barfuß im Winter: So etwas sorgt für Aufsehen. Und wenn Eisele, der Eisenharte aus dem Kreuzthal, abends noch zur Gemeinderatssitzung geht, dann wird er auch zu dieser Gelegenheit nicht in seine Schuhe schlüpfen.

    Edmund Eisele ist Barfußläufer. Von Frühling bis Herbst sowieso, und selbst im Winter kommt es oft vor, dass er seine Schuhe unbenutzt stehenlässt. Ob der einstige Deutsche Ski-Meister in der Abfahrt nicht mehr alle Sinne beisammen hat? Immerhin sagt das Allgäuer Original selbst, es würden Leute mitunter den Kopf schütteln, wenn sie ihn sehen. Und den Zeigefinger zur Stirn führen, als wollten sie sagen: "Der spinnt doch, oder?"

    Eisele schmunzelt, wenn er von solchen Begegnungen erzählt, lehnt sich genüsslich zurück und meint: "Ich bin eben ein bodenständiger Mensch, der fühlen will, wo er lebt und sich bewegt. Nichts weiter."

    Edmund Eisele ist auch einer, der die Natur genießt und mit Bauchgrimmen zur Kenntnis nimmt, wie sie teilweise zerstört wird. Im Kreuzthal zwischen Kempten und Isny ist seine Heimat. Dort, glaubt er, sei die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Dafür müsse man allerdings etwas tun, gibt er zu bedenken und ließ sich vor Jahren in den Gemeinderat wählen.

    Oder in den Vorstand der Initiative Kreuzthal-Eisenbach. Die hat es immerhin geschafft, das Gebiet dort als eine der wenigen handyfreien Zonen dieses Landes zu bewahren. Es gibt Modellprojekte in der Landwirtschaft und im Bereich des Naturschutzes oder Aktionen, die Kulturgeschichte der Gegend lebendig zu machen - mit der Einrichtung des Glasmacherwegs.

    "Ein schönes Fleckchen Erde." Wenn Edmund Eisele diesen Satz ausspricht und den Blick über die Wälder und Wiesen gleiten lässt, weiß man, dass man einem durch und durch zufriedenen Menschen gegenübersteht. Später wird er den Gast ins Haus bitten. Eine kleine Mansardenwohnung unterm Dach, wenige Möbel, die Küche geht übergangslos ins Wohnzimmer über: Das wirkt äußerst bescheiden.

    Er brauche nicht mehr, versichert Eisele. In seinem Besitz sind gerade mal zwei Paar Schuhe. Feste Stiefel, die er am Arbeitsplatz bei einem Wohnwagen-Hersteller tragen muss. Und wuchtige Clocks-Schuhe aus Holz, in die Edmund Eisele dann schlüpft, wenn es draußen eisig ist oder Schnee liegt. Ansonsten führt dieser Mann ein Leben ohne Schuhe. "Ich bin nichts anderes gewohnt", erklärt er, "schon als Kind war ich nur barfuß unterwegs."

    Ein Barfußläufer, auch das musste Eisele erkennen, lebt allerdings nicht ganz ungefährlich. Vor allem, wenn er sich auf den Weg in die Städte macht, nach Kempten, Leutkirch oder Isny. "Wahnsinn, was da alles auf dem Boden herumliegt", sagt er und schüttelt den Kopf. "Glasscherben, Schrauben, Nägel, kaputte Flaschen.

    " Aber selbst eine tiefe Fleischwunde, die er sich mal durch den Tritt in eine riesige Glasscherbe zugezogen hat, änderte nichts an seiner Lebenseinstellung: "Ich will die Erde spüren, den Waldboden, den Blumenteppich, das Flussbett. Schuhe würden dieses Gefühl verfälschen."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden