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Seit tödlichem Unfall hat sich in Stockenweiler fast nichts geändert

Bahnübergang

Seit tödlichem Unfall hat sich in Stockenweiler fast nichts geändert

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    Seit tödlichem Unfall hat sich in Stockenweiler fast nichts geändert
    Seit tödlichem Unfall hat sich in Stockenweiler fast nichts geändert Foto: matthias becker

    Vor gut einer Woche wäre es beim Bahnübergang Stockenweiler (Gemeinde Hergensweiler) beinahe zum Zusammenstoß zwischen Zug und Autos gekommen - weil die Bahnschranke trotz herannahendem Zug offen stand. Die Staatsanwaltschaft Kempten ermittelt deswegen gegen die Schrankenwärterin. An derselben Stelle hat vor vier Jahren ein 42-Jähriger das Leben verloren. Wie unsere Recherchen ergaben, hat der tödliche Unfall im Jahr 2006 kaum zu Sicherheitsverbesserungen an der neuralgischen Stelle geführt - obwohl verschiedene Vorschläge gemacht worden sind.

    Ohne den Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei vorgreifen zu wollen, kann man schon jetzt davon ausgehen, dass menschliches Versagen die Ursache des Beinahe-Unglücks in Stockenweiler war. Die Wärterin, die pflichtgemäß die Schranke geschlossen hatte, öffnete dieselbe wieder - warum auch immer - , nachdem der Zug aus Lindau durch war. Der zweite Zug, aus Richtung Hergatz, kreuzte bei offenen Schranken die Bundesstraße 12, auf der bereits eine Kolonne von Fahrzeugen auf die Weiterfahrt wartete. Das anschwellende Geräusch des Zuges warnte die Autofahrer.

    2006 verlor ein Mann durch einen Unfall an derselben Stelle sein Leben. Und wie damals drängt sich die Frage auf, ob es in der heutigen Zeit bei einem Verkehrsaufkommen wie auf der B12 sein kann, dass die Sicherung des Bahnübergangs vom einzelnen Menschen abhängt - ohne zusätzliche technische Sicherung.

    Rein rechtlich, so geht aus Gesprächen mit dem Eisenbahnbundesamt, der Staatsanwaltschaft, der Bahn und Verkehrsfachleuten hervor, kann die Bahn wohl nicht belangt werden. Nach dem Unglück vor vier Jahren ermittelte die Staatsanwaltschaft auch gegen die Bahn. Die Ermittlungen wurden wegen "Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts", so die Staatsanwaltschaft, eingestellt.

    Will heißen: Die Zustände in Stockenweiler sind offenbar gesetzeskonform. Die Bahn ist nicht verpflichtet, den Übergang besser zu sichern. In erster Linie dank des Bestandsschutzes alter Anlagen. Ein neuer Bahnübergang müsste vermutlich technisch ganz anders ausgerüstet sein.

    Viele Vorschläge

    Nicht nur der Bürgermeister von Hergensweiler, Georg Betz, stellt sich dennoch die Frage, ob die Bahn nicht verpflichtet ist, mehr für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu tun. Vorschläge gab es nach dem Unglück 2006 genügend. Tatsächlich verändert wurde aber nur ein Punkt: Der diensthabende Schrankenwärter muss nach Schließung der Schranke die nächsten Fahrdienstleiter (in Lindau und Hergatz) informieren - erst dann dürfen diese den Zügen grünes Licht geben.

    Dieses Verfahren hat zwar die Sicherheit ein wenig verbessert, belässt die Verantwortung aber noch immer komplett beim einzelnen Menschen - und führt außerdem zu Wartezeiten bis zu 20 Minuten.

    Nur ein Anrückmelder

    Zusätzliche technische Sicherungen wurden zwar diskutiert - geschehen ist aber nichts. Bürgermeister Georg Betz und Landtagsabgeordneter Eberhard Rotter forderten etwa einen zweiten Anrückmelder. Das ist ein akustisches Signal, das der Zug auslöst, indem er ein Magnetsignal passiert. So wird der Wärter auf jeden nahenden Zug aufmerksam gemacht. Im Fall Stockenweiler gibt es nur einen solchen Anrückmelder, laut Bahn in Richtung Hergatz. Auf die Frage des Westallgäuers, warum kein Zweiter in die andere Fahrtrichtung installiert wird, bleibt die Bahn eine Antwort schuldig.

    Der pensionierte Verkehrsingenieur Franz Schilberg schlägt auch eine magnetgesteuerte Zugbeeinflussung vor: "Durch einen etwa im Bremswegabstand angebrachten Induktiv-Schalter würde der Zug bei offener Schranke rechtzeitig zum Stehen gebracht." Schon nach dem Unglück 2006 war dies im Gespräch. Die Bahn sagte damals, diese "punktförmige Zugbeeinflussung" müsse noch technisch ausgereift und zugelassen werden. Auf die Frage des Westallgäuers, wie es mit der Entwicklung der damals diskutierten Lösung weitergegangen ist, antwortet die Bahn durch Pressesprecher Franz Lindemair ausweichend: "Nach Einschätzung der DB hätten die früher in Erwägung gezogenen und derzeit vorgeschlagenen technischen Ergänzungen (PZB/Indusi bzw. Anrückmelder) das vorzeitige Öffnen des Bahnüberganges - also genau den aktuellen Vorfall - nicht verhindern können."

    Aufrüstung bis 2013?

    Stattdessen verweist die Bahn darauf, dass bis 2013 alle nicht signalabhängigen Bahnübergänge bundesweit mit zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen ausgerüstet werden sollen. Die Methoden würden derzeit geplant und erprobt. "Im Zuge dessen werden dann unter anderem auch Gleismagneten an diesen Anlagen zum Einsatz kommen."

    Diese Ankündigungen sind für Stockenweiler nicht mehr von Belang. Denn bis dahin soll die seit Jahrzehnten diskutierte Beseitigung des Übergangs endlich vollzogen sein. Der Baubeginn ist vage auf Ende nächsten Jahres festgesetzt. Es wird vermutlich noch drei Jahre dauern, bis das Fünf-Millionen-Euro-Großbauwerk fertig ist, sich also Zug und Straßenverkehr in Stockenweiler nicht mehr auf gleicher Ebene begegnen. Laut Thomas Hanrieder vom Staatlichen Bauamt Kempten, hat seine Behörde sämtliche notwendigen Vorarbeiten erledigt: "Jetzt ist die Bahn am Zug." Lesen Sie hier eine Chronologie der Ereignisse am Bahnübergang Stockenweiler.

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