Von Brigitta Wenninger Ottobeuren Er hat alles hergegeben. Hat verschenkt, was ihm gehörte, hat losgelassen, was ihm früher wichtig war. Und bekam dafür, was er lange gesucht hatte, was immer stärker zum Mittelpunkt einer tiefen Sehnsucht geworden war: Ruhe, Erfüllung und ein gottgefälliges Leben. Clemens Gehrmann war 47 Jahre alt, als er nach Ottobeuren fuhr, um dort in der Benediktiner-Abtei einen neuen Weg zu gehen. Seit 1997 gehört Frater Adalbert, so der Name, den er selbst gewählt hat, nun zu der brüderlichen Gemeinschaft, deren Wirken auf dem lateinischen Grundsatz 'ora et labora' ('bete und arbeite') basiert, und sich nach der aus dem 6. Jahrhundert stammenden Mönchsregel des heiligen Benedikt richtet. Orgelklänge erfüllen das prachtvolle Innere der Basilika. Nicht weit davon entfernt, im östlichen Seitentrakt der Abtei, herrscht Stille. Im Kapitelsaal versammeln sich die Brüder zur so genannten Mittagshore, um im Gebet innezuhalten. Einer von ihnen ist Frater Adalbert. Wie die anderen trägt auch er das schwarze Habit der Benediktiner. 22 Mönche gehören der Gemeinschaft an, leben in der ursprünglich für 50 Brüder ausgelegten Abtei. Der jüngste ist 26, der älteste 80 Jahre alt. Viele Orden in Deutschland haben Nachwuchssorgen. In Ottobeuren gab es immer noch konstant Eintritte, auch wenn es weniger sind als vor rund 20 Jahren. Damals waren es etwa 30 Brüder. Dass sich Menschen ähnlich wie Frater Adalbert erst relativ spät für ein Leben im Kloster entscheiden, ist keine Seltenheit. 'Das hat sich gewandelt, kommt viel häufiger vor', meint der 53-Jährige. Und sagt: 'Wir hoffen natürlich, dass wieder mehr junge Menschen ins Kloster eintreten.' Der Wunsch, ein tieferes religiöses Leben zu führen, sei langsam in ihm gewachsen, so Frater Adalbert: 'Das hat mich nicht getroffen wie ein Blitz.' Der Grundstein sei früh gelegt worden: 'Ich stamme aus einem christlichen Elternhaus', erzählt der am Niederrhein aufgewachsene Ordensbruder. 'Mit der Kirche habe ich nur positive Erfahrungen gemacht', resümiert er. Beeindruckt hätten ihn vor allem die Menschen, die ihm in all den Jahren begegneten: Nicht nur engagierte Priester, sondern auch Ordensleute, die vor allem eins vorlebten: Freude und selbstlosen Einsatz für ihre Nächsten.
'Da muss was dahinter sein' 'Diese Menschen wirkten so zufrieden, so ruhig', sagt Frater Adalbert: 'Ich dachte mir, da muss was dahinter sein.' Ein erster Schritt war für ihn, sich im sozialen Bereich zu engagieren: Er wurde Erzieher, studierte Sozialpädagogik, arbeitete in einem Kinderdorf und in der Jugendpsychiatrie. Verheiratet war der 53-Jährige nie. Eine schwierige Phase begann, als seine Eltern krank wurden. Er pflegte sie unter der Woche und arbeitete an den Wochenenden. Bis 1993 schließlich sein Vater starb und 1995 die Mutter. Danach begann Frater Adalbert, sich verschiedene Klöster anzusehen. In einem lernte er zwei Benediktiner aus Ottobeuren kennen, die ihn einluden. Er schrieb dem Abt, besuchte das Kloster, kam erneut - und blieb. Zunächst als Kandidat, praktisch in Probezeit, dann als Novize und mittlerweile als 'zeitlicher Professe'. Das heißt, dass er sich für mehrere Jahre an den Orten gebunden, sich aber noch nicht festgelegt hat, ob er für immer im Kloster bleibt. Am Anfang sei das Leben in der Abtei für ihn schon eine große Umstellung gewesen, erinnert sich der 53-Jährige, der in Ottobeurer an der Pforte arbeitet. Doch dann sei er immer mehr hineingewachsen in die Gemeinschaft, aus der er Kraft schöpfe wie aus einer Quelle.