Kempten | rot | An einem Frühlingstag veränderte sich Ralph Andersons Leben für immer. Für den Lehrer allerdings war es ein düsterer Tag: Durch einen schweren Autounfall wurde er vom gesunden zum schwerbehinderten Menschen. Seit drei Jahren dreht sich sein Alltag darum, neue Kraft in Kopf, Herz und Muskeln zu bekommen. Jetzt referierte Anderson über sein Schicksal vor Wirtschaftsschülern, die davon erfahren und spontan eine 'Gute-Tat-Aktion' gestartet hatten.
Auffallend leise geht es an diesem Morgen im Klassenraum der 9 a zu. Jemand hat 'Herzlich Willkommen', an die Tafel geschrieben, doch der Mann, dem dieser Gruß gilt, ist noch nicht eingetroffen. Um so mehr Zeit bleibt den Schülern, um mit Klassenleiter Roland Wolf und Rektor Werner Spießhofer darüber zu diskutieren, ob man den Gast wohl nach seinem Leben vor und nach dem Unfall fragen kann. Schnell wird klar: Keiner der Wirtschaftsschüler kann sich vorstellen, 'wie ein Mensch mit einem so harten Schicksalsschlag zurechtkommt', bringt es die 15-jährige Fabienne Schugg auf den Punkt.
Bis jetzt kennen die Schüler der 9 a Ralph Anderson nicht, der jahrelang an der Staatlichen Wirtschaftsschule als Deutsch- und Geschichtslehrer tätig war. Lediglich durch Erzählungen älterer Schüler erfuhren sie von seinem Schicksal und entschlossen sich im Dezember spontan, in Geschäften auf 'Sammel-Tour' zu gehen und 'Sponsor'-Plätzchen für das Lehrerkollegium zu backen. 250 Weihnachtspäckchen kamen zusammen und so 1260 Euro, die in dieser Schulstunde an Anderson übergeben werden sollten, als Beitrag für ein behindertengerechtes Tandem.
Mit Rennrad die Alpen überquert
Freilich, der hochgewachsene Mann, der jetzt im Rollstuhl herein kommt, weiß davon noch nichts. Sein Blick wandert über die Schülerschar, über die Wandtafel mit dem Willkommensgruß und plötzlich überzieht ein strahlendes Lächeln sein Gesicht. Er muss erst einmal tief durchatmen, bevor er mit klarer Stimme erzählen kann - von früher, als er mit dem Rennrad die Alpen überquert, mit Humor Geschichtszahlen rübergebracht und leidenschaftlich Gitarre gespielt hat.
Doch auch nach dem Unfall habe er 'Glückstage' erlebt. Die Tage, als er aus dem Koma erwachte, Monate später wieder sitzen konnte, zählt er dazu. Und jenen Tag, 'als ich zum ersten Mal mit Hilfe des Elektro-Rollstuhls eine Bordsteinkante überwinden konnte.' Doch weiß Ralph Anderson auch, dass er in der Therapieeinrichtung 'Villa Viva' noch viel für seine Selbstständigkeit lernen muss. 'Mit so viel Mut und Humor, wie dieser Mann ausstrahlt, schafft er das', ist Schüler Korbinian Holl sich sicher.