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Schön anzusehen, wie sich Leben retten lässt

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Schön anzusehen, wie sich Leben retten lässt

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    Von Stefan Dosch Altdorf/Kaufbeuren - Wenn jemand wie die 18-jährige Carolin aus Kaufbeuren an Leukämie erkrankt, gibt es in vielen Fällen nur einen Weg der Hoffnung: die Übertragung gesunder Stammzellen, landläufig 'Knochenmarkspende' genannt. Wie aber läuft so eine Übertragung ab, bei der ein gesunder Mensch einem an Blutkrebs Erkrankten buchstäblich neues Leben spendet? Tobias Eberle aus Altdorf hat sich einer Stammzellenspende unterzogen. Es begann vor drei Jahren, als sich Tobias Eberle in die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufnehmen ließ. Für die leukämiekranke kleine Sarah aus Ruderatshofen war damals eine Aktion zur Spendergewinnung durchgeführt worden, und Eberle hatte an dem Bluttest teilgenommen. 'Dass ich als Spender in Frage kommen könnte, habe ich gleich danach wieder vergessen', sagt er rückblickend. Es verging ein Jahr, bis er wieder an seine Spendebereitschaft erinnert wurde. Weil man glaubte, in ihm einen passenden Spender für einen Kranken gefunden zu haben, wurde er um eine weitere Blutprobe gebeten. Doch wurde die Aktion dann wieder abgeblasen, weil sich kurzfristig ein weiterer Spender mit noch besser geeigneten Gewebemerkmalen gefunden hatte. Wieder hörte Eberle lange Zeit nichts. Bis zum 31. Dezember vergangenen Jahres. Da erhielt er einen Brief von der DKMS, dass es erneut einen Patienten gebe, der auf eine Transplantation warte. Es waren durchaus 'gemischte Gefühle', mit denen Eberle sich zum Hausarzt begab, um sich ein weiteres Mal eine Blutprobe nehmen zu lassen - wer weiß schon genau, was als Stammzellenspender auf einen zukommt. Einige Wochen später erhielt er die Nachricht: Ja, die Übereinstimmung der Gewebemerkmale zwischen Eberle und dem Patienten sei ausreichend, mit der Entnahme der Stammzellen müsse allerdings noch gewartet werden, da der Empfänger für die Übertragung erst vorbereitet werden müsse. Um wen es sich dabei handelte, erfuhr Eberle nicht, so will es das Reglement der DKMS. Nur soviel: männlicher Patient, wohnhaft in Deutschland. Ende April wurde es akut.

    Der 25-jährige Eberle musste sich einen Tag lang zur Voruntersuchung ins Entnahmezentrum nach Tübingen begeben, wo ein ausgiebiger Gesundheits-Check vorgenommen wurde. Weil für die Übertragung keine Knochenmarktransplantation, sondern eine Entnahme peripherer Stammzellen vorgesehen war (siehe Wortweiser), bekam er in Tübingen eine Handvoll Spritzen zur Stimulierung der Stammzellenproduktion mit nach Hause. Die Spritzen kann man sich zwar auch vom Hausarzt setzen lassen, Eberle aber schob sich die Nadeln selbst unter die Haut. Auf die Hormonspritzen setzten Nebenwirkungen ein: Kopf- und Gliederschmerzen, 'ungefähr so, wie wenn man Grippe bekommt'. Eberle, von Beruf Elektrotechniker, ging trotzdem arbeiten. Nach fünf Tagen dann erneut Tübingen zur endgültigen Stammzellenentnahme. Früh um 8 Uhr ging es los, in mehreren mehrstündigen Durchläufen wurde über Zugänge, die an den Armen gelegt waren, Eberles Blut durch einen Zellseparator geschickt, der die Stammzellen herausfilterte. Er konnte zusehen, wie sich 'das Zeug' so langsam sammelte, 'schön anzuschauen' war das für ihn. Doch die Prozedur nimmt den Kreislauf ziemlich in Anspruch. Eberle verkraftete die Entnahme zwar so gut, dass er statt der veranschlagten zwei Tage lediglich einen benötigte. Eine weitere Spenderin aber, die neben ihm im Zimmer lag, hatte beträchtlich zu kämpfen. Die Arbeitszeit, die Eberle für seine Tübingen-Aufenthalte opfern musste, wurden ihm übrigens von seinem Arbeitgeber Mayr Antriebstechnik gespendet. Die Nebenwirkungen waren gleich nach der Stammzellenentnahme verschwunden. Wie es jedoch dem Patienten ergeht, der die Stammzellen übertragen bekam, weiß Eberle bis zur Stunde nicht. Die Verfahrensregel besagt, dass er erst nach drei Monaten informiert wird. Will er darüber hinaus wissen, wem er da zu neuem Leben verholfen hat, geht das frühestens nach zwei Jahren und nur dann, wenn Patient und Spender es wollen. Tobias Eberle weiß noch nicht, wie seine Entscheidung ausfallen wird - was, wenn der Empfänger sich als Unsympath herausstellte? Generell macht er um die Tatsache, dass er aller Voraussicht nach einem fremden Menschen zu neuem Leben verholfen hat, wenig Aufhebens. 'Wenn es mir selbst passieren würde', sagt er lapidar, 'wäre ich auch um so eine Spende froh.'

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