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Schmiergeld für unser Glück

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Schmiergeld für unser Glück

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    Buchenberg (mr). 'Für die lieben Neujahrsbläser', steht auf dem Kuvert, das Siegfried Nussmann von einem weißen Briefkasten in Wirlings löst. Der Chef der Musikkapelle Buchenberg freut sich über die 20 Euro im Umschlag. Just in dem Moment, als er das Wort 'respektabel' flüstert, fährt ein silbergraues Auto in den Hof. Und die acht Musiker reagieren blitzschnell.

    Schon während die vierköpfige Familie Steck aus dem Wagen steigt, erklingt die Polka 'In der Weinschenke'. Begeistert bleiben die vom Schlittschuhlaufen Heimgekehrten vor dem Auto stehen, lauschen - und am Schluss applaudieren auch die Kinder Alexander und Julia. 'Einen schöneren Empfang kann man sich gar nicht vorstellen', sagt Richard Steck. Seine Frau Heike schwärmt vom Silvester 1993, als das Haus gerade bezogen war. Da habe man die Musiker spontan in die neuen Räume eingeladen. Heike begleitete sie auf dem Klavier, und so habe es damals über zwei Stunden lang einen 'fröhlichen und herzlichen Einstand im Allgäu' gegeben. Diesen guten, alten Brauch wolle man nicht missen, sind sich die Stecks einig.

    Leberkäse und Kartoffelsalat

    So lange gibt es den Brauch in Buchenberg noch gar nicht, sagt die stellvertretende Präsidentin des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes, Centa Theobald. Während sie mit Ehemann Erich die Musiker zu Hause in Wirlings mit Leberkäse und Kartoffelsalat stärkt, plaudert sie aus dem Nähkästchen. Ihr Vater Benedikt Haggenmüller habe das Blasen 1949 in Buchenberg eingeführt. Bevor er dazu aufbrach, habe Ehefrau Theresia immer nachgefragt: 'Hosch alles d’rbei?' (womit Brille, Taschentuch, Mundstück und die dritten Zähne gemeint waren). Geschenke verstaute 'd’r Bene' immer im Hosensack, von 'Laibla' bis zum Stück Presssack kam da einiges zusammen. Theobald erinnerte auch an einen weit zurückliegenden Vorfall in Masers. Ein Musiker sei in einen zugeschneiten, kleinen Stausee geraten und versunken. Gottlob sei er durch das Festhalten der Tuba an der Wasseroberfläche geblieben.

    Da und dort ohne Erfolg

    Erwärmung brauchen die Kapellen-Mitglieder an diesem vorfrühlingshaften Tag nicht viel. Dankbar sind sie dem Petrus, mussten sie doch vor Jahresfrist frieren, durch hohen Schnee waten und mit Isoliermaterial gegen einfrierende Instrumente ankämpfen. Gelassen bleiben die Musiker, wenn sie imNeubauviertel da und dort ohne Erfolg klingeln.

    Woanders werden sie indes schon erwartet. Beispielsweise bei Familie Weywara. Tochter Miriam freut sich wie ein Schneekönig, hat sie doch Geburtstag. Nun gibt’s neben dem üblichen Ständchen noch ein gespieltes und gesungenes 'Happy birthday' obendrauf. 'Das ist ein toller Auftakt für die noch folgende Party', strahlt die 16-Jährige. Ein großes Hallo erwartet die Bläser auch bei den Burger-Familien. Nach dem musikalischen Gruß zückt Michael Burger ein Scheinchen: 'Das ist Schmiergeld für unser Glück im neuen Jahr', schmunzelt er. Bei den Brehers fühlen sich die Musiker wie daheim. Ingrid serviert 'Hopfentee', plaudert und lacht mit den Gästen. Immerhin ist Schwiegervater Matthäus ein 'Urgestein' der Buchenberger Blasmusik. Über Jahrzehnte spielte der 72-Jährige das Waldhorn, hat 1995 offiziell damit aufgehört. Aber beim Silvesterblasen lässt er sich immer noch in eine der fünf Gruppen einteilen. Seine gleichaltrige Gattin Centa ist stolz auf ihren Matthäus. 'So einen schneidigen Musiker' habe sie schon als junges Mädchen gewünscht und schließlich auch ausgeguckt. Denn die seien lustig, hätten Temperament und einfach den 'richtigen Schlanz', lacht die lebhafte Seniorin. Das sei heute noch so, und in zwei Jahren stehe die goldene Hochzeit ins Haus.

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