Untrasried (jth). Für zwei Tage im Jahr könnte Helmut Gerle das Wort 'schlaflos' in seinen Kalender eintragen. Bereits zum sechsten Mal haut sich der 24-jährige Untrasrieder am ersten Aprilwochenende die Nacht um die Ohren. Rock-Frühling heißt der Grund, der dem jungen Ostallgäuer schlaflose Nächte bereitet. Gerle ist einer von zehn Mitgliedern des Party-Organisations-Komitees (POK) in Untrasried. Das Häufchen junger Rockmusik-Fans hat in seiner Freizeit das ganze Jahr über vor allem eines im Sinn: Den Rockfrühling, ein zweitägiges Festival, zu organisieren. Obwohl sich das POK der Party verschreibt, hat Helmut Gerle an diesem Freitag-Abend wenig Zeit für frohsinniges Feiern. Er ist einer der wenigen, die nicht 'Summer of 69' lautstark mitsingen oder zu John Miles 'Music' schwofen. Während die letzten der 4300 Besucher des Musik-Fests gegen 23 Uhr ins weiß-blaue Bierzelt strömen, kontrolliert Gerle am Eingangsbereich, ob die Besucher den Eintritt bezahlt haben. Am Zelteingang geht es zu wie in einem Taubenschlag. Die einen strömen in Richtung Bühne, wo gerade die fränkische Cover-Band 'Number Nine' ein 'Metallica'-Stück zum Besten gibt. Die anderen drücken in Richtung Ausgang, um sich ihres Blasendrucks entleeren zu können. Rockfrühling - das heißt für Helmut Gerle und die über 230 ehrenamtlichen Helfer aus Untrasried Schwerarbeit. Mehr als 9000 junge Leute besuchen an diesem Wochenende den Rockfrühling. Das sind etwa zehn mal so viele Leute als die Gemeinde Einwohner zählt.
Mehr als 230 Helfer Was es heißt, diesen Rockfrühling zu organisieren, davon kann Gerle ein Lied singen. 'Wenn wir nicht 230 Helfer von Feuerwehr, Sportverein und Landjugend hätten, könnten wir das Festival gar nicht veranstalten', sagt Gerle. Das Gros der Arbeit für das Untrasrieder Spektakel ist zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen. Organisations-Tabellen wurden gemacht, die Bands 'Revolution', 'Number Nine', '(Red-)Pull' und 'Sphinx' gebucht, Genehmigungen eingeholt, Plakate entworfen. Vor einer Woche hieß es samstags dann Hand anlegen für ein paar Dutzend Untrasrieder. Es galt das 5000 Mann fassende Zelt samt Holzboden auf den Trainingsplatz des Sportvereins in die Höhe zu ziehen und das Gelände mit Absperrgittern zu umzäunen. Auf Sicherheit legen die Organisatoren nämlich viel Wert. Neben den Freiwilligen, die im Zelt und auf den Parkplätzen für Ordnung sorgen, tut an beiden Tagen ein professioneller Sicherheitdienst im Zelt seinen Dienst. Gerle und seine Helfer, die außer mit einem Essen nur mit einem Schulterklopfen entlohnt werden, sind froh, dass der Abend ruhig verläuft. Keine Schlägereien, keine Unfälle. 'Alles in Ordnung' steht nach dem Wochenende im Bericht der Polizei. Nachdem in dieser Woche der Sportplatz gereinigt, der Grasboden gewalzt ist, wird über den Rockfrühling Bilanz gezogen. Doch schon jetzt steht fest, dass - wie schon im Vorjahr - ein Überschuss bleibt. Dieser soll neben dem Sportverein auch caritativen Einrichtungen zugute kommen. 2000 Euro spendeten die Untrasrieder Rock-Fans in der Vergangenheit für 'Sternstunden', ein Hilfswerk des Bayerischen Rundfunks. Für ein behindertes Mädchen aus dem Ort gab es im vergangenen Jahr einen Zuschuss für ein technisches Hilfsgerät. Für Helmut Gerle war gestern bis mittags nur eines angesagt: Schlafen. Nachmittags trafen sich die Mitglieder des Komitees mit leichten Augenringen zur Abrechnung: Schon zu diesem Zeitpunkt verspricht Helmut Gerle: 'Im nächsten Jahr gibt es wieder einen Rockfrühling'. Für Gerle sind das wieder zwei schlaflose Nächte in Untrasried.