Mini-Hubschrauber made in Görisried Von Reinhold Löchle Görisried 'Luft- und Raumfahrttechniker nach Görisried gesucht': Eine Stellenanzeige dieses Inhalts dürfte manchen schmunzeln lassen. Görisried? Da war doch mal was mit Pershing II-Raketen Richtig, das war zwischen Mitte der 70er bis Anfang der 90er- Jahre. Auf die Militärs folgten Asylbewerber aus fast aller Welt. Dann wurde es ruhig um Görisried. Mit der im Jahr 2003 von Heidelberg ins Ostallgäu umgezogenen Firma Steinbeck Bioabfall-Management (SBM) kehrte dort wieder etwas internationales Flair ein. Denn SBM liefert seine Abfallentsorgungs-Anlagen in alle Welt. Mit dem neuesten Geschäftszweig von SBM dürften noch mehr ausländische Kunden den Weg ins Allgäu nehmen: Firmenchef Jochen Steinbeck will künftig Mini-Hubschrauber - genauer: Tragschrauber - fertigen.
Märkte für seine 'Tragschrauber' sieht Jochen Steinbeck in Neuseeland, Australien, USA Gleich ob es um die Kontrolle von Pipelines, Zäunen um riesige Weiden oder von Staatsgrenzen geht: Mit dem Hubschrauber geht das besser als mit dem Geländewagen. Steinbeck weiß, wovon er spricht, schließlich war er jahrelang in Australien Berufspilot auf Hubschraubern. Damit kennt er allerdings auch deren 'Problem': Sie sind teuer und wartungsintensiv. Der von ihm entwickelte Ultraleicht-Tragschrauber ist mit etwa 30 000 Euro dagegen nur etwa ein Zehntel so teuer und dazu noch leicht zu warten. Und kann zudem mit Autobenzin und mit einem 'einfachen' Pilotenschein geflogen werden.
Vorschub durch Propeller
'Der hält sich allein durch die Autorotation in der Luft'', vergleicht Steinbeck die Flugweise eines Trag- mit der eines Hubschraubers. Einfach ausgedrückt: Ein Tragschrauber wird nicht etwa durch einen motorgetriebenen Rotor in die Luft gehievt, sondern ein am Heck sitzender, mit Motorkraft bewegter Propeller bewerkstelligt den Vorschub, produziert aber zugleich auch eine Luftströmung für den sieben Meter langen Rotor. Dadurch erhält der Tragschrauber Auftrieb - und fliegt.
Der Tragschrauber werde vom Luftfahrtbundesamt in Braunschweig 'als sicherstes Fluggerät eingestuft', verweist der studierte Chemotechniker auf Untersuchungen. 160 Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit, maximaler Radius von 3,5 Flugstunden, je nach Typ bis zu 120 Kilo Zuladung, Kabine, Heizung: Diese und andere Vorteile zählt Steinbeck noch auf. Auch benötigt ein Tragschrauber, der übrigens mit Rädern ausgestattet ist, nur eine kurze Start- und Landebahn. Deshalb sei er auch für die Hobbyfliegerei interessant, sagt der Experte.
Vom 19. bis 21. April will Steinbeck mit seinem Team die ersten vier Tragschrauber auf der Luftfahrtmesse 'Aero' in Friedrichshafen vorstellen. Im Sommer dürfte er dann die fast weltweit gültige Endzulassung des Luftfahrtbundesamtes vorliegen haben. Wobei die Zulassung sich auf Serien-Fluggeräte und nicht auf Einzelmodelle beziehe, betont Steinbeck. Bislang gebe es lediglich ein einsitziges italienisches Serienfabrikat auf dem Weltmarkt, alle andere Tragschrauber seien Einzelzulassungen weil Marke Eigenbau. Bis 2002 war seinen Angaben zufolge die Fertigung von Tragschraubern in Deutschland verboten - eine Nachwirkung des Zweiten Weltkrieges.
Jährlich 120 Exemplare
Das Weltmarkt-Volumen schätzt der 54-Jährige auf bis zu 700 Maschinen pro Jahr. Er hofft, dazu jährlich 120 Exemplare made in Görisried beisteuern zu können. Dazu benötigt er aber noch ein Fertigungsteam. Derzeit beschäftigt SBM 17 Mitarbeiter, die meisten davon produzieren Entsorgungsanlagen für organischen Abfall. Zehn bis zwölf Leute insbesondere mit einer Ausbildung in Metallberufen, Konstruktion oder im Bereich Luft- und Raumfahrt, benötigt Steinbeck noch.