Es ist ein großes Abenteuer. Zehn Bergsteiger bahnen sich einen Weg durch eine wilde Landschaft mit Schnee bedeckten Fünftausendern und türkisfarbenen Seen. Gastfreundliche Bergbewohner braten ihnen Innereien und stärken sie mit Sauermilch aus Tiermägen. Die Männer haben keine Karten und erkunden das Fangebirge in Tadschikistan auf eigene Faust - als eine der ersten Alpinisten aus dem Westen nach dem Krieg.
Das war im Sommer 1979. Jetzt, 30 Jahre später, treten fünf der Teilnehmer die Reise noch einmal an. In Gedanken. Expeditionsleiter Karl Schott (78) und Manfred Golla (68) aus Memmingen, Ingo Buchelt (70) aus Nesselwang, Helmut Lang (68) aus Ottobeuren und Otto David (57) aus Bad Grönenbach schwelgen in Erinnerungen. Sie blättern in dem Buch, in dem sie ihre Eindrücke festgehalten haben und sehen sich Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Expedition an. "Es war ein Höhepunkt im Leben", sagt Buchelt.
Karl Schott hat bereits Anfang der 1970er Jahre Kontakt in dem Osten und macht die Extremtour des Deutschen Alpenvereins Memmingen möglich.
Die Bergsteiger trainieren ein Jahr lang, packen pro Kopf etwa 20 Kilogramm Kochtöpfe, Matten und Klettersachen zusammen und brechen zu der einen Monat langen Reise in die damalige Sowjetunion (UdSSR) auf. UdSSR-Staatstrainer für Alpinistik, Wladimir Schataew, begleitet sie durch das Gebirge mit reißenden Flüssen, Hirten und Schafsherden. "Man wusste nicht, was auf einen zukommt", sagt Buchelt. "Das Abenteuer lockte und barg viele Überraschungen. Mit heute kann man das nicht vergleichen. Jetzt kann man sich solche Touren kaufen und weiß, dass nichts schief geht. Es gibt Karten, Hütten und Verpflegung. Wir hatten nichts."
Die schwierigen, unberechenbaren Kletterrouten sind "kein Zuckerlecken" und "eine Mordsanstrengung", erinnert sich Schott. Eitrige Wunden behandeln die Wanderer mit heißem Wasser und Salz. Sie lutschen durstig an Eiszapfen und Otto David knabbert stundenlang an steinharten Salzheringen. "Die haben mich gerettet", sagt er. "Salz und Eiweiß - ich hatte immer drei, vier im Rucksack." Nach einer kräftezehrenden Tour bieten ihnen Russen Kaviar an. Aber alles, was die Fünf wollen, ist Brot. Und das ist aus.
Die Alpinisten aus dem Allgäu bezwingen sieben Berge um 4000 Meter, zwei knapp unter 5000 Meter und vier Fünftausender. Das Fangebirge gehört zum Gebirgssystem des Pamir-Alai. Auf zwei Gipfel hat noch niemand vor ihnen einen Fuß gesetzt. Die Erstbesteiger hinterlassen unter Steinen einen Zettel mit Datum und Namen und taufen die Berge.
Sie nennen sie "Pik Berg-Echo" nach der gleichnamigen Zeitschrift der Deutschen Bergwacht und "Pik Timur" nach dem Bergexperten, der ihnen den Tipp gab.
Ans Aufgeben denkt keiner der Fünf. "Es war so ein Glücksgefühl. Ich würde morgen sofort wieder hinfahren", betont Helmut Lang. Aber inzwischen sind die Männer grau geworden. "Wir würden nicht mehr viel reißen", schmunzelt Buchelt. Bergtouren machen die fünf immer noch. "Aber die Berge sind kleiner geworden", sagt Golla.