Von Robert Steuer, Illerbeuren - 'Künstlicher Regen' heißt eine Ausstellung, mit der das Schwäbische Bauernhofmuseum Illerbeuren eine 'Annäherung an die Gießkanne' versucht. Wie zahlreich die Aspekte sind, unter denen sich der scheinbar banale Alltagsgegenstand präsentiert, erstaunte auch den bayerischen Landwirtschaftsminister Josef Miller, der die Schau eröffnete. Selbst der heute so populäre (und bei Auktionen entsprechend teure) Maler Carl Spitzweg war von der Gießkanne als Symbol liebevoller Gartenpflege fasziniert. Das beweist unter anderem sein Gemälde 'Der Gartenfreund', das als wertvollstes Objekt der Schau im Zentrum der Illerbeurer Ausstellung zu bewundern ist. Museumsleiter Otto Kettemann, der zusammen mit Elisabeth Riepl für die Konzeption verantwortlich zeichnet, machte das hochversicherte Prachtstück im Kulturhistorischen Museum Görlitz ausfindig. Für die Dauer der Ausstellung hängt der hingebungsvoll mit einer Gießkanne hantierende 'Gartenfreund' nun in einer weißen Laube inmitten von mehr als 250 verschiedenen Gießkannen, die in einem stilisierten französischen Garten 'wachsen' beziehungsweise vor einem imaginären Wasserfall schweben. Es ist schon erstaunlich, was man alles erfährt, wenn man sich auf das Thema Gießkanne näher einlässt. Zum Beispiel, dass das nützliche Gerät vor der Mitte des 17. Jahrhunderts völlig unbekannt war, wenn man von so genannten Gießtöpfen absieht, die ihre Aufgabe aber offensichtlich nur sehr mangelhaft erfüllten. Erst mit der Gartenkultur des Barock trat die Gießkanne im heutigen Sinn ihren Siegeszug an. Dabei wurde sie zunächst keineswegs nur aus Metall gefertigt. Auch Ton oder sogar Holz kamen zum Einsatz. Ein entscheidender Fortschritt, der vor allem die preiswertere industrielle Herstellung erlaubte, war die Erfindung des Verzinkens.
Auf diese Weise wurde es möglich, das billigere und verhältnismäßig leichte Eisenblech zu verwenden, das bis dahin natürlich sehr rostanfällig war. Schier unübersehbar ist die Formenvielfalt, die die Gießkannenherstellung hervorgebracht hat, wobei die Grundsatzfrage 'Rund oder oval?' mitunter die Formen eines Glaubenskrieges annahm. Aber auch die funktionsbedingte Länge des Gießrohres, der Neigungswinkel und die Feinheit der Brause sowie die Gestaltung des Griffes brachten die unterschiedlichsten Modelle hervor und regten Tüftler zu erstaunlichen technischen Raffinessen an. Wer da glaubt, die Herstellung einer Gießkanne gehe 'nach Augenmaß' und gleichsam über den Daumen gepeilt vonstatten, der irrt. Die Illerbeurer Ausstellung zeigt ausführliche Konstruktionszeichnungen, die der Herstellung von Gießkannen zugrunde lagen. Sie unterscheiden sich nur unwesentlich von einer Anleitung zum Karosseriebau. Die Erfindung des Gartenschlauches versetzte der guten alten Blechgießkanne zwar einen herben Stoß, verdrängen konnte sie das nützliche Gerät allerdings nicht. Das schaffte erst die Gießkanne aus Plastik, wie sie sich heute als konfektionierte Massenware in den Baumärkten und Gartencentern präsentiert. Ein Exemplar davon ist auch am Ende des Rundganges in Illerbeuren zu sehen. Es nimmt sich neben dem Formenreichtum und der Symbolkraft seiner vielen Vorgänger recht ärmlich aus und macht uns schmerzlich bewusst, welchen Preis wir für die angeblichen Annehmlichkeiten moderner Industrieprodukte zahlen mussten. i Die Sonderausstellung 'Künstlicher Regen' im Bauernhofmuseum in Illerbeuren dauert noch bis zum 13. Oktober und ist dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Zur Ausstellung gibt es einen umfangreichen Begleitband mit Beiträgen von Wolfgang E. Hundbiss, Otto Kettemann, Elisabeth Riepl und Reinhard Schauer.