Im Alter von zehn Jahren ist Iulia Bordeainu ins Allgäu gekommen. Sie wurde in Rumänien geboren, gemeinsam mit ihren Eltern verließ sie die Heimat. Die Familie lebte in Weiler, Iulia besuchte das Gymnasium Lindenberg. Hier war sie Mitglied der Sieber-Band und stand als Sängerin auf der Bühne. All das ist lange her. 1989 machte die junge Frau Abitur, danach zog sie nach Hamburg, um eine Musical-Ausbildung zu absolvieren. Morgen kehrt die inzwischen erfolgreiche Musikerin ins Westallgäu zurück. Sie tritt mit ihrer Band Zarada um 20 Uhr in Lindenberg im Kesselhaus auf – und bringt Musik aus Rumänien mit. Wie es sich anfühlt, auf diese Weise ihre erste Heimat Rumänien mit ihrer zweiten Heimat Allgäu zu verbinden, erzählt Iula Bordeianu im Gespräch mit Ingrid Grohe.
Frau Bordeianu, Sie sind gebürtige Rumänin und haben vor zwölf Jahren Jahren in Lindenberg Abitur gemacht. Was unterscheidet die Kultur Ihrer Heimat zu der im Allgäu?
Iulia Bordeainu: Die Menschen sind vom Temperament her ganz anders. In Rumänien sind sie geprägt von schwierigen sozialen und politischen Verhältnissen der vergangenen Jahrzehnte – von Hunger und Armut, die es ja auch heute noch gibt. Vermutlich deshalb wird in Rumänien ganz viel über Leid und Sehnsucht geschrieben und gesungen. Und zwar auf eine etwas ambivalente Art: Sehr traurige Geschichten sind in unheimlich witzige Lieder verpackt – und andersherum. So versucht man, mit den schwierigen Lebensverhältnissen klar zu kommen.
Ihre Band Zarada macht Musik aus Rumänien, kommt aber aus Hamburg – sind Sie zufällig bei ihr gelandet oder haben Sie bewusst nach Ihren Wurzeln gesucht?
Bordeianu: Die Band gibt es seit etwas über einem Jahr. Das fing erst als kleines Projekt an. Ich hatte mal den Traum, die alte rumänische Musik wieder zu beleben. Aber es ist sehr schwer, Musiker zu finden, die das spielen können. Per Zufall habe ich den Akkordeonisten Nenad Lautarevich getroffen. Das war fast magisch. Wir haben vier Stunden miteinander gespielt – und es war dann schon fast so, dass wir auftreten konnten. Er wohnt an der serbisch-rumänischen Grenze, daher kennt er das ganze Liedgut und kann die Sachen aus dem Gehör spielen.
Wo treten Sie mit diesem jungen Ensemble auf?
Bordeianu: Bisher viel in kleinem Rahmen, bei Vernissagen oder kleinen Kulturprogrammen. In diesem Jahr haben wir uns auch ein Konzertprogramm vorgenommen. Wir können unter anderem in der Kantine des Schauspielhauses Hamburg auftreten – das ist eine tolle Location. Und wir haben die Musik gemacht für eine Dokumentation über Rumänien. Die Filmpremiere in Hamburg ist einen Tag nach unserem Konzert in Lindenberg. Ansonsten hat jeder von uns viele andere Projekte. Wir sind professionelle Musiker, arbeiten über Agenturen oder wie unser Schlagzeuger und Cajonist Jérôme Lelouche für Musicals.
Sie haben nur ein knappes Jahrzehnt im Westallgäu gelebt – pflegen Sie noch Kontakte hierher?
Bordeianu: Ja, ich habe einige sehr gute Freunde hier. Leider war ich seit meinem Weggang nicht mehr oft da, weil auch meine Eltern weiter in den Norden gezogen sind.
Und wie eng sind Ihre Bindungen nach Rumänien?
Bordeianu: Herzensmäßig sehr eng. Meine Familie lebt dort: Großeltern, Onkels, Tanten, Cousinen und Cousins. So einmal im Jahr versuche ich, dort zu sein – auch mein fünfjähriger Sohn soll die Verbindung nicht verlieren. Mit Zarada möchten wir auch in Rumänien auftreten. Früher wurde die Musik, die wir machen, von ganz großen Musikern und Sängerinnen Rumäniens gemacht. Und so haben wir die Fühler ausgestreckt. Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr dort auf ein paar Festivals spielen dürfen.
Vor Jahren standen Sie mit der Sieber-Band in Lindenberg auf der Bühne. Was bedeutet es für Sie, hierher zurückzukommen?
Bordeianu: Das ist total spannend. Ich bin damals echt viel aufgetreten. Es gibt Lehrer, die mir nahestanden, und die meine Entscheidung, zur Bühne zu gehen, mit warmen Augen betrachtet und meine Entwicklung verfolgt haben. Es haben sich einige zum Konzert angemeldet.
Wie reagiert deutsches Publikum auf Volkslieder aus Rumänien?
Bordeianu: Unsere Erfahrung ist, dass die Leute nach unseren Konzerten ganz offen waren – auch warm und beherzt. Ich glaube, das macht die Musik. Deswegen freue ich mich, wenn unser Projekt weiter lebt und floriert.