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"Röthenbach ist meine Heimat"

Geschichte

"Röthenbach ist meine Heimat"

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    "Röthenbach ist meine Heimat"
    "Röthenbach ist meine Heimat" Foto: matthias becker

    Hans Wegscheider kennt jede Haustür in Röthenbach. Über 41 Jahre war er Tag für Tag als Postbeamter im Ort unterwegs. Zunächst zu Fuß, dann mit dem Rad und ab 1963 mit dem Auto. Er kennt nicht nur die Haustüren, Häuser, Briefkästen von Röthenbach und die Menschen dahinter, er weiß auch Geschichten, die er nie erzählen würde, und Geschichten, die er gerne immer wieder erzählt. Und auch sonst hat der 78-Jährige als Vereinsvorsitzender des Sportvereins oder als Gemeinderat einiges in Röthenbach erlebt - in dem Ort, der nächstes Jahr sein 1150-jähriges Bestehen feiert.

    Noch heute lebt Hans Wegscheider in dem Haus, in dem er vor 78 Jahren geboren wurde. Von Röthenbach wegzugehen, kam für ihn nie in Frage. Als er seine Frau aus Oberreute kennenlernte, fragte ihn der dortige Bürgermeister, ob er nicht auch dorthin ziehen möchte. Doch darauf hatte und hat Wegscheider eine klare Antwort: "Röthenbach ist meine Heimat."

    Wer als Postbote jeden Tag von Tür zu Tür unterwegs ist, erfährt auch allerhand Klatsch und Tratsch. "Wir Postler wussten schon über ziemlich vieles Bescheid, zum Beispiel über sämtliche Familienverhältnisse", sagt Wegscheider und lächelt geheimnisvoll. Alle im Ort kannten den Postbeamten, und auch er kannte die Menschen. "Heute kenne ich vielleicht noch die Hälfte", sagt Wegscheider.

    Immer wieder seien auch Menschen zu ihm gekommen, die Geschichten, Gerüchte oder Geheimnisse von ihm hören wollten. "Da musste man schon aufpassen, was man erzählt." Nur unter Postkollegen hätten sie die ein oder andere Geschichte ausgetauscht. "Wir hatten eine richtig gute Kameradschaft", erinnert sich Wegscheider, der seit 17 Jahren in Pension ist.

    Dabei wollte er eigentlich zunächst gar nicht in den Postdienst. "Das war ein Wunsch meiner Mutter."Als der dortige Chef ihm einen Job anbot, hieß es von der Mutter: Das probierst du aus. Aus einer ersten Schnupperzeit, wurden erst zwei und schließlich 41 Jahre.

    Vor allem die Anfangszeit im Postamt in Röthenbach war spannend, erinnert sich Wegscheider. "Wir waren der Umschlagplatz für das ganze Westallgäu." Morgens um halb 6 sei der erste Zug angekommen, dann hieß es ausladen, sortieren und am späten Vormittag machten sich die Postler mit Briefe und Päckchen auf den Weg durch den Ort. "Das hat dann meistens bis in den Nachmittag gedauert." Und wenn da und dort noch der ein oder andere Schwatz gehalten oder Schnaps getrunken wurde, eben etwas länger.

    Fragt man ihn nach der skurrilsten Geschichte, die er in über 40 Jahren im Postdienst erlebt hat, zieht sich ein schelmischen Grinsen über sein Gesicht. "Ich habe einmal von einer alten Frau einen Schnaps bekommen. Sie hat mir das Gläschen durch das Fenster gereicht und ich habe genippt und hatte plötzlich ein Stückchen Zahn im Mund.

    Den hat sie wohl in das Schnapsglas gelegt, als er ihr aus dem Gebiss gebrochen ist. Und da hat sie ihn wohl vergessen"

    Nicht nur als Postbeamter, auch als Vorsitzender des Sportvereins und Gemeinderat hat der dreifache Vater in Röthenbach einiges erlebt.

    Als "ein Lebenswerk von mir" bezeichnet er den Bau des Freizeitzentrum Rentershofen. "Dafür habe ich mich von Anfang an sehr engagiert", erzählt der ehemalige Sportvereinsvorsitzende. Viele waren damals dagegen. "Da hieß es, so etwas braucht man nicht." Als eine "ganz schwierige Zeit" hat er diese Jahre in Erinnerung.

    Heute sei Röthenbach ohne das Freizeitzentrum, das Freibad und den Kunstrasenplatz nicht mehr vorstellbar. Noch immer verbringt Wegscheider dort viel Zeit. "Ich schaue mir jedes Fußballspiel an, wir haben wirklich einen guten Trainer und nette junge Leute."

    Geht er heute durch Röthenbach, fällt ihm vor allem eine Veränderung auf. "Früher war alles sehr landwirtschaftlich geprägt, heute gibt es viele Unternehmen und Industrie", sagt Wegscheider. Auch seine Familie betrieb bis Anfang der 1960er-Jahre eine kleine Landwirtschaft. "Wir hatten sieben Kühe und ein Pferd", sagt Wegscheider.

    Holzpritschen im Zug

    Danach ging sein Vater zur Bahn nach Röthenbach. "Damals waren dort 35 Leute beschäftigt, heute ist es noch einer." Der Bahnhof ist für Röthenbach das "Nonplus ultra", ist Wegscheider überzeugt. "Deshalb war es auch sehr wichtig, dass alles auf den neusten Stand gebracht wurde." Noch ganz genau erinnert er sich an seine erste Zugfahrt. Als Sitzgelegenheit gab es Holzpritschen im Zug. "Ich bin mit meiner Mutter nach Wangen zum Augenarzt gefahren, da ich in der Schule die Wörter an der Tafel nicht lesen konnte", erzählt er.

    Und auch erst kürzlich ist Wegscheider wieder in Röthenbach in den Zug gestiegen - allerdings nur für eine kurze Strecke. "Ich bin zur Eröffnung des Bahnhalts in Heimenkirch gefahren."

    Für unser Foto hat Hans Wegscheider nocheinmal die Postler-Uniform angezogen, in der er 42 Jahre lang in Röthenbach von Tür zu Tür gegangen ist. Sie passt noch - obwohl Wegscheider seit vielen Jahren in Pension ist. Foto: Matthias Becker

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