Herbishofen/Bad Grönenbach "Evangelisch-reformiert" kann als Steigerung von "evangelisch" gelten: Eine klare Ausrichtung auf Gottes Wort, wie es in der Bibel überliefert ist, zeichnet diese Glaubensrichtung aus, mit einem strengen Verbot bildlicher Darstellungen in nüchternen Kirchenräumen. 1559 hat Philipp von Pappenheim die Reformation nach Schweizer Vorbild ins Allgäu gebracht - und damit verbindlich gemacht für seine damaligen Untertanen in Herbishofen, Theinselberg und Grönenbach.
Grund genug für die Nachgeborenen, mit einem Festwochenende auf 450 Jahre evangelisch-reformierte Kirchengemeinden zurückzublicken. Der Kirchentag am Samstag führt all jene zusammen, die in der XI. Synode, mithin im süddeutschen Raum, zusammengeschlossen sind (siehe Grafik). Im Allgäu gibt es heute nur zwei evangelisch-reformierte Kirchengemeinden: in Herbishofen und in Bad Grönenbach.
Die Memminger Zeitung hat dies zum Anlass genommen, mit den beiden zuständigen Pfarrern Joachim Metten (Herbishofen) und Hermann Brill (Bad Grönenbach) den geschichtlichen Wurzeln nachzuspüren.
Was ein Umweg nicht alles bewirken kann: Weil die Pappenheimer eine eigentlich nach Israel geplante Wallfahrt in Venedig abgebrochen haben und via Schweiz zurückgekehrt sind, kam die Reformation ins Allgäu. Die Reformation nach Schweizer Prägung wohlgemerkt. Philipp von Pappenheim - angetan von der Lehre Ulrich Zwinglis - schloss sich der neuen Religion an. Genau genommen war es Heinrich Bullinger, der Nachfolger Zwinglis in Zürich, der in einem regen Briefwechsel mit den Adeligen im Allgäu stand. "Bullinger-Schüler waren auch die ersten Pfarrer in Grönenbach und Herbishofen", erklärt Joachim Metten, der bis vergangenen Sommer als Präses der evangelisch-reformierten Kirche in Bayern vorstand. Zum 450er-Jubiläum wird deshalb auf großen Schautafeln in der Kirche auf dem Theinselberg das Leben und Wirken Bullingers veranschaulicht.
Bullinger ist bis heute nicht sehr bekannt, doch "seine Korrespondenz war umfangreicher als jene von Luther, Calvin oder Melanchthon", so Metten.
Weil Philipp von Pappenheim den Glauben der Schweizer Reformatoren angenommen hat, galt das gemäß den Festsetzungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 ("cuius regio, eius religio" = "wessen Gebiet, dessen Religion") auch für den Bereich seiner Herrschaft. Für die Untertanen dürfte jedoch die neue Religion so unbekannt nicht gewesen sein, hatte doch schon mehr als 30 Jahre davor der Prediger Christoph Schappeler in Memmingen gegen die etablierte katholische Messe gewettert und die Bedrückung der Bauern mit Abgaben und Frondiensten angeprangert.
Im Verlauf der weiteren Jahrhunderte gab es eher ein Neben- oder Gegeneinander der Konfessionen als ein Miteinander, trotz zwischenzeitlicher Annäherungen. Zeitweise wurde sogar über die Kleidung kenntlich gemacht, welcher Glaubensrichtung man angehörte. Eheschließungen zwischen katholischen und evangelisch-reformierten Christen waren nur schwer möglich.
Heute ist, sagen Metten und Hermann Brill übereinstimmend, vieles Trennende überwunden, das Miteinander der Christen sei "völlig entspannt". In Gruppen der evangelisch-reformierten Gemeinde wie dem Frauenkreis oder in der Jungschar wirkten wie selbstverständlich auch katholische Christen mit.
Zwei Vorzüge gibt Hermann Brill der eigenen Glaubensrichtung: "die selbstbewusste Gemeindeleitung" (Pfarrer werden von allen Konfirmierten gewählt) und die Nüchternheit in einer Zeit, "die vor Visualisierungen brummt".