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Raus holen und laufen lassen

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Raus holen und laufen lassen

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    Von unserem Redaktionsmitglied Christian Schreiber, Scheidegg/Kempten - Gerne würde er. So wie viele andere eben. Aber er kann nicht so, vielleicht auch, weil er sich ein bisschen schämt. 'Ich muss meistens absteigen', sagt Tobias Steinhauser, Radprofi aus Scheidegg. Bei einigen seiner Kollegen geht\'s viel flüssiger, wie er beschreibt: 'Man sucht sich eine Stelle, wo\'s bergab geht, holt ihn raus und lässt\'s laufen.' Peinliche Momente und Pinkel-Pausen könne man zumindest reduzieren, erklärt Steinhauser. 'Vor dem Start springt jeder nochmal aufs Klo.' Viele Kollegen ließen am Renntag den Guten-Morgen-Tee und den kräftigen Biss in den Apfel sausen. Steinhauser hingegen kann seine Tasse Kaffee genießen und hat keine wassertreibenden Problemchen zu befürchten. Medizinische Kniffe, die dem Harndrang begegnen, sind Steinhauser noch nicht unter gekommen. Pi mal Daumen schluckt der Allgäuer fünf Liter Flüssigkeit pro Rennen. An heißen Tagen läuft noch mehr durch seine Kehle. 'Aber dann muss ich bestimmt nicht pinkeln. Dann schwitz\' ich alles raus.' Falls aber die Blase drückt, so der Westallgäuer, 'geht nicht mehr viel'.

    Absteigen ist angenehmer Uwe Peschel, der seinen Hunger mit Brötchen vom selben Arbeitgeber (Team Gerolsteiner) stillt wie Steinhauser, kennt dieses Gefühl allzu gut: 'Bei jedem Rennen muss ich in der ersten Stunde Pipi machen. Das ist so, seit ich Rad fahre.' Der Anruf unserer Zeitung erreicht den Scheidegger Peschel gerade, als er mit einigen Teamkollegen im Auto zum nächsten Rennen düst und bringt Stimmung in den Kleinwagen. Obwohl das Handy rauscht, hört man deutlich wie sich die 'Gerolsteiner' auf die Schenkel klopfen und schallend lachen. 'Freistil - einfach raushängen lassen und laufen lassen', beantwortet Olaf Pollack die Frage nach der Technik. 'Absteigen ist aber angenehmer. Wer pinkelt sich schon gerne auf die Hand?', prustet er los. 'Ich kann\'s eh nicht, ich muss absteigen und verliere eben Zeit', geht Peschel dazwischen. Kopfsache. Und eine Frage der Technik, wie er meint. 'Es ist schon ein großer Nachteil, wenn\'s nicht vom Fahrrad geht.' Man müsse halt versuchen, den richtigen Zeitpunkt zu wählen: 'Manchmal hält das ganze Feld. Und wenn der Fahrer im Gelben Trikot absteigt, wird nicht attackiert.' Es gibt noch ein ungeschriebenes Gesetz: In Ortschaften und in der Nähe von Zuschauern heißt es Wasser halten, sonst drohen Geldstrafen. Allerdings muss es auch einen Kläger geben, der den Richter auf den Plan ruft. Derlei Regeln sind Jutta Schubert (RSC Kempten), frisch gebackene Rad-Weltmeisterin bei den Frauen über 30 Jahren, fremd. 'Wasser-Marsch' komme für Frauen im Sattel gar nicht in Frage, antwortet sie lachend. 'Beim Training steige ich eben kurz ab und fertig.' Ihr Ritual vor dem Rennen erinnert an die Methoden der Männerwelt: Am Morgen hat sie sich ein Kaffee-Verbot auferlegt. Eine Stunde vor dem Wettkampf legt Schubert einen Trink-Stopp ein und kurz vor dem Startschuss sucht sie nochmal das stille Örtchen auf. Und siehe da, während eines Rennens habe sie 'noch nie gemusst'. Und im Ziel läuft es dann richtig? Irrtum. Mit Schaudern denkt Schubert an die Dopingprobe, wie sie mit einer Ärztin in eine Toilette gepfercht wird. Schließlich muss ja alles mit rechten Dingen zugehen. 'Aber wenn jemand nebendran steht, kann ich nicht.' Sagt Schubert. Sagt auch Tobias Steinhauser. Der Scheidegger hat aber den ultimativen Tipp: 'Barfuß über den kalten Fließenboden laufen.' Dann klappt\'s bestimmt. Eine Frage der Technik: Während so mancher Radrennfahrer seinem Harndrang einfach freien Lauf lässt, ohne vom Sattel zu steigen, bevorzugen andere mehr oder weniger kurze 'Pinkelpausen' am Straßenrand (unser Bild). Amazone Jutta Schubert übrigens hat ihre Blase jederzeit im Griff: Sie 'muss' während des Rennens schlichtweg nicht. Sagt sie zumindest. Foto: imago Tobias Steinhauser Uwe Peschel

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