Ist das ein Trend? Oder Zufall? Jedenfalls wurden bei der 32. Ostallgäuer Kunstausstellung, die am heutigen Samstag im Künstlerhaus Marktoberdorf ihre Pforten öffnet, erneut leise, poetische Arbeiten ausgezeichnet - wie schon vor wenigen Wochen bei der Festwochen-Ausstellung in Kempten. Sicher ist, das diese stillen Werke eine Tiefe und Vielschichtigkeit besitzen, die manch kräftigeren abgeht.
Das Preisträger-Triumvirat in Marktoberdorf führt ein Ostallgäuer Lokalmatador an: der 49-jährige Christian Hörl aus Ruderatshofen. Eine gute Wahl der Jury. Hörl ist einer, der seit vielen Jahren hauptberuflich und leidenschaftlich auf dem Weg der Kunst wandelt. Dabei meidet er (ausgetretene) Hauptpfade, beschreitet immer wieder Neuland und kümmert sich nicht darum, ob und wie das beim Publikum ankommt. Aufsehen erregte der Kunstpreisträger der Stadt Kempten (1999) in den vergangenen Jahren immer wieder, etwa mit seinem elaborierten, aufwändigen Projekt mit dem Kemptener Gefängnis. Er ist einer der ganz Kreativen des Allgäus, einer, der am Puls der Zeit arbeitet.
Bei der mit dem Johann-Georg-Fischer-Kunstpreis der Stadt Marktoberdorf ausgezeichneten Mischtechnik "Villa Barbaro/Andrea Palladio" hat sich Hörl von einer Villa des genialen italienischen Rensaissance-Architekten Andrea Palladio inspirieren lassen. Fotos, die er von dem Haus bei Venedig machte, bannte er im Siebdruck-Verfahren auf Kupferplatten, die er zuvor bemalt hatte. Mit dieser Multimedialität verfremdet er die Realität auf eigentümliche Weise, vermischt eigene und fremde Kunst, schlägt einen Spannungsbogen zwischen Natur, Architektur und Kultur.
Vielschichtig im wahrsten Sinn der Wortes arbeitet Rainer Goettgens, der den Sonderpreis der Franz-Schmid-Stiftung erhielt. Der in Wohmbrechts (Westallgäu) beheimatete 47-Jährige legt mehrere Schichten des dünnen, transparenten Siampapiers übereinander und zeichnet mit Oilsticks (Ölfarben in Kreideform) seine wundersamen, teils symbolhaften Figuren, die irgendwo zwischen Figurativem und Abstraktem angesiedelt sind. Damit hat er sich in den vergangenen Jahren eine ganz eigene (Bilder-)Welt geschaffen, die ebenso poetisch wie rätselhaft ist. Und sie ist raffiniert. Goettgens, im Hauptberuf Töpfer, stellt dem Bildvordergrund die eigenen Echos auf einer zweiten und dritten Ebene zur Seite, vermischt Gegenwart mit Vergangenheit. Er spielt - und reflektiert das Spielen.
Förderpreis in Kempten erhalten
Die dritte Marktoberdorfer Preisträgerin, Elisabeth Bader aus Augsburg, erhält die zweite Auszeichnung innerhalb weniger Wochen. Bei der Festwochen-Schau in Kempten wurde der 32-Jährigen, die aus Betzigau (Oberallgäu) stammt, der Förderpreis zuerkannt. Auch jetzt präsentiert sie eine Arbeit aus Papier "leere Reisehandtasche" genannt. Eine ironische Spielerei, die zart und zerbrechlich wirkt.
Drei ausdrucksstarke Arbeiten, zu denen sich weitere 49 in den drei Stockwerken des Künstlerhauses gesellen. Wie schon in den vergangenen Jahren hat die Jury streng und konsequent gesiebt - 301 Werke von 162 Künstlern aus Schwaben waren zu beurteilen. Und erneut ist eine sehr sehenswerte Schau entstanden, die kaum ein schwaches oder beliebiges Werk enthält und auch junger, schräger Kunst Raum gibt.
Die Kunsthaus-Leiterin Maya Heckelmann kuratierte sie und platzierte die Werke sehr sinnvoll.
Von den vielen weiteren Arbeiten, die hervorgehoben werden könnten, seien stellvertretend genannt:
Der Unterallgäuer Pit Kinzer geht jetzt ganz nah an seine kleinen Modellfiguren heran, die er seit Jahren unter dem Titel "Gerngroß Models" präsentiert. Neun Köpfe hat er zu einem Tableau zusammengestellt und den Gesichtern Berufe und ein Einkommen zugeordnet. Witzig, traurig und sozialkritisch zugleich. Wann wird Kinzer endlich mit einem Allgäuer Preis gewürdigt?
An die Eisenfiguren-Aktion von Anthony Gormley in den Vorarlberger Alpen erinnert die Arbeit von Peter Riss aus München. Der gebürtige Kaufbeurer liegt splitternackt auf dem Ziegelboden des Untergeschosses - als lebensgroße schwarze Figur. In einem Video daneben ist Riss zu sehen, wie er selbst diese Figur - ähnlich einem Holzer-Pferd - durch verschneite Wälder schleppt.
Ebenfalls eine interessante Arbeit hat der Marktoberdorfer Bertram Maria Keller abgeliefert. In seiner Installation "KiK (Kunst im Koffer)" präsentiert er einen halb geöffneten Koffer. Darin läuft ein stark verfremdetes Video mit Sequenzen, die Sänger und Instrumentalisten des Festivals "Musica Sacra" zeigen. Eine witzige Idee - leider mit einem Schuss unnötiger Werbung.
Die Ausstellung läuft bis 24. Oktober. Geöffnet Montag bis Samstag von 15 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 16 Uhr. Der kleine Katalog zur Ausstellung kostet 1 Euro.