Zu viel Lärm kann krank machen. Das weiß die gebürtige Kemptenerin Dr. Alexandra Feil, die heute als Diplom-Psychologin am Klinikum Ingolstadt arbeitet. Ihre Doktorarbeit schrieb die 31-Jährige zum Thema Verkehrs-Lärm. Denn auch im Allgäu wird immer mehr über die Problematik diskutiert, wie viel Lärm besonders Motorräder verursachen.
"Rein anatomisch können uns Geräusche stören, weil wir unsere Ohren nicht verschließen können", sagt die Expertin. Speziell wenn Lärm als vermeidbar und unkontrollierbar empfunden wird, steige der Stresspegel erst richtig. Aufheulende Motorräder seien ein besonders anschauliches Beispiel: "Der Lärm ist unkontrollierbar, er wird von Betroffenen als unnötig und vermeidbar empfunden. Außerdem ist er nicht gleichmäßig, was zu noch mehr Aktivierungsreaktionen des Körpers führt, wie etwa Herzrasen", erklärt Feil. Wer dauerhaft solchen Geräuschen ausgesetzt ist, könne Schlaf- und Konzentrationsstörungen und im schlimmsten Fall einen Herzinfarkt bekommen. "Auch die Psyche wird angegriffen. Man fühlt sich hilflos, ausgeliefert. Das kann bis zu Depressionen führen", kennt Feil die Gefahren.
"Die Sommerdurchgeknallten"
Rolf Göger aus Dietmannsried (Oberallgäu) kennt den Stress durch Verkehrslärm. Er ist genervt. Seit Jahren beobachtet er das gleiche Bild in der Gemeinde: "Überdrehte Motorräder, superlaute Quads und trötende Mofas. Das sind die Sommerdurchgeknallten", sagt er. Er habe schon versucht, bei der Gemeinde, der Polizei, dem Landratsamt oder dem ADAC etwas zu erreichen. Passiert ist nichts.
Das liege auch daran, dass die Polizei kein Messverfahren hat, um Motorenlärm zu messen und wenn nötig einzugreifen, weiß Dr. Michael Gerke, Verantwortlicher für "Lärmschutz beim Verkehr" am Bayerischen Landesamt für Umwelt in Augsburg. "Natürlich gibt es Grenzwerte bei der Zulassung jedes Fahrzeugs", erklärt Gerke.
Jedoch können durch die Fahrweise - gerade bei Motorrädern - diese Grenzwerte überschritten werden: "Es ist eben ein Unterschied, ob man hochdreht oder in einem niedrigen Gang fährt", sagt er.
So differenziert auch Brigitte Deininger aus Memmingen: Den gleichmäßigen Verkehrsfluss, selbst an einer belebten Straße, empfindet sie als weniger störend, als das, was sie immer häufiger in der Memminger Altstadt beobachtet: "Da wird mit quietschenden und qualmenden Reifen angefahren. Das hat nicht mehr mit persönlicher Freiheit zu tun", beklagt sie sich.
Motorräder lauter als Autos
Zwar gebe es eben auch Autofahrer, die gerne mal den Motor aufheulen lassen. Doch warum gerade Motorräder als noch viel störender empfunden werden, kann der Lärm-Experte Gerke begründen: "Zum einen haben sie ein von Grund auf lauteres Motorgeräusch. Zum anderen geht es um die Kombination Klang und Raum." Das bedeutet, dass Motorradfahrer im dichten Verkehr auf der Autobahn auch nur selten als störend empfunden werden. "An schönen Sonntag-Nachmittagen auf ruhigen Straßen durch die Natur, sieht das ganz anders aus", sagt Gerke. Und das seien eben die Hauptzeiten und -strecken für Hobby-Motorradfahrer
Unzulässiger Auspuff
Wirklich eingreifen könne die Polizei nach Gerkes Einschätzung aber erst dann, wenn beispielsweise zu schnell gefahren oder ein nicht zulässiger Auspuff angebaut wurde.