Wenn die japanische Katastrophe nicht wäre, dann müsste wohl der zweite große, ab 2013 permanente Rettungsschirm für den Euro die Schlagzeilen beherrschen. Welchen Sprengstoff dieser Dauer-Rettungsversuch gerade für die stärkste europäische Volkswirtschaft, nämlich Deutschland, berge - vor allem in dieser Frage hingen die rund 300 Zuhörer im Haus Hochland an den Lippen des Politologen Ingmar Niemann.
"Höchst Problematisches" sage das Zahlenmaterial aus: Vom Gesamtvolumen des Dauerschirms (500 Milliarden Euro) solle Deutschland 200 bis 250 Milliarden Euro übernehmen. Dabei leiste man schon durch die Schulden anderer Euro-Notenbanken bei der Bundesbank (aktuell 337 Milliarden Euro, 2006 noch 18,3 Milliarden Euro) schon versteckte Krisenhilfe. Was passiert in dieser Konstellation, wenn der Etat Deutschlands (Haushaltssumme 290 Milliarden Euro in 2009) tatsächlich und in größerem Umfang von Euro-Stützungsmaßnahmen belastet wird?
Der Lehrbeauftragte (Uni München und Hochschule Kempten) wollte staatlich angeordnete Zwangsabgaben für "Besserverdienende" nicht ausschließen. Der Deutsche werde sich wohl auch in diesem Fall "diszipliniert" verhalten, der Franzose stünde wohl längst auf der Straße.
Befragt nach seiner Anlageempfehlung, antwortete Niemann: "Längst hat die Flucht in Gold und Silber eingesetzt."
Gegen Verträge verstoßen
Der Redner bestätigte den oft zitierten "Sündenfall der Politik". Europa habe gegen Verträge verstoßen und die "No-bail-out"-Klausel (Kein Euroland muss für die Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaats aufkommen) weitgehend außer Kraft gesetzt. Um Euro-Stabilität wieder ohne Steuerzahler zu gewährleisten, favorisiert Niemann den Vorschlag von Hans-Olaf Henkel, der den Euroraum in einen harten Nordeuro und einen weicheren Südeuro aufteilen möchte.
Wenn nicht also noch beim EU-Gipfel am 23. März ein Wunder passiere, werde die "Währungsunion zu einer Transferunion verkommen", bilanzierte Niemann. Eine zweite große Baustelle ist für den Politologen die oft versprochene Regulierung der Finanzmärkte - sie lasse aber weiter auf sich warten. In Berlin habe man lediglich Leerverkäufe verboten, die aber übers Ausland weiterhin möglich seien.
Deutschland habe keine führenden Finanzköpfe mehr wie Friedrich Merz oder den "kurz nach dem Durchpeitschen des ersten Euro-Rettungspakets zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler". Umso mehr müsse man hierzulande stärkere Inflation, höhere Zinsen und weitere Abgaben befürchten.
Die rege Diskussion leitete Manfred Burkart, Leiter der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (Sektion Kempten). Mitveranstalter waren das Gebirgssanitätsregiment 42 Allgäu sowie die Thomas-Dehler-Stiftung.