Pfähle stehen auf der Materialbestellliste des Bauhofs Pfronten einmal im Jahr ganz oben. Vor dem Alpabtrieb brauchen die Mitarbeiter davon jede Menge. Eine ihrer Hauptaufgaben ist, Zäune fürs Vieh zu errichten, sagt Tourismusdirektor Jan Schubert. Etwa vier Wochen vor dem Abtrieb beginnt rund um den Scheidplatz der Aufbau von Zäunen, Festzelt, Absperrungen und mehr. Die weiteren Vorbereitungen laufen zu der Zeit schon seit März. Sie liegen in Pfronten wie die Organisation insgesamt in den Händen der Gemeinde – genauer des Tourismusbüros in Person von Susanne Schneider und Jan Schubert.
Die beiden haben etliche Arbeitsstunden hinter sich, wenn dieses Wochenende – traditionell am ersten Samstag im September – die Pfrontar Viehscheid über die Bühne geht. Sie ist heuer der erste Alpabtrieb im Allgäu. Sie läutet die fünfte Jahreszeit ein. Und das Die ist kein Schreibfehler. In der Ostallgäuer Gemeinde sind der Ochse und der Preuße männlich, die Kuh und die Viehscheid aber sind weiblich, schrieb einmal ein Bürger in einem Brief an das Tourismusbüro. Das sei schon immer so gewesen.
Der Artikel ist nicht der einzige Unterschied zu anderen Scheiden: In Pfronten gibt es seit vier Jahren zudem die Viehscheid-Däg (heuer 3. bis 15. September).
Dabei kooperieren wir mit Einzelhandel und Bauernverband, sagt Schubert. Wir wollen zeigen, dass Viehscheid mehr ist als eine Bierschwemme im vollen Zelt. Eine Entdeckungsreise zu Brauchtum, Tracht und Handwerk sollen die Viehscheid-Däg sein – unter anderem mit Fotoausstellung, Vorführungen im Schellenschmieden, Binden von Kranzrindkronen und Postkarten mit Hirtenmotiven, um deren Arbeit zu ehren.
Der Kern ist noch die Tradition
Der Kern des Alpabtriebs ist laut Schubert noch immer die Übergabe des Viehs, die Tradition, die Alpwirtschaft. So liege ihm zum Beispiel am Herzen, dass die Gäste erfahren, mit welcher Wertschätzung die Hirten mit ihren Tieren umgehen. Es gibt immer Beschwerden, wenn Rinder beim Verladen geschlagen werden.
Aber das sei nur eine Momentaufnahme in einer Extremsituation. Für die Rinder sei es ein Schock, wenn sie nach Monaten auf der Alpe den Tumult am Scheidplatz erleben und dann noch in einen Hänger sollen. Da wird das ein oder andere Tier störrisch. Das aber sähen die Gäste nicht. Über diese und andere Dinge rund um die Alpwirtschaft klärt bei der Pfrontar Viehscheid ein Moderator auf.
Trotz allem Traditionsbewusstsein ist aber auch in Pfronten, wie vielerorts im Allgäu, aus dem einstigen Hirtentreffen zum Ende des Alpsommers eine Touristenattraktion geworden – übrigens die größte ihrer Art im Ostallgäu. Sie kostet die Gemeinde exklusive Personal rund 30 000 Euro. Aber sie bringt auch Geld. Viehscheid ist ein Reiseanlass, sagt Schubert.
Wann und wo kommen die Rinder, seien die Fragen, die im Tourismusbüro übers Jahr am meisten gestellt werde. Es gibt T-Shirts, Servietten, Schellen-Schlüsselanhänger und Krüge zu den Viehscheid-Däg – jedes Jahr mit neuem Motiv. Dazu kommen immer neue Besonderheiten – 2011 ein Käsecup, heuer ein eigens komponierter Viehscheidmarsch. Mit VIP-Karten können wie auf dem Oktoberfest Plätze reserviert werden. Das kommt gut an. Heuer haben wir schon 330 verkauft, sagt Schubert. Seit 2004 findet am Abend vor dem Abtrieb ein Festumzug statt. Damit wollten wir möglichst viele Leute ins Zelt kriegen. Das hat geklappt und der Umzug bringt den Ort zusammen.
Rund 1000 Teilnehmer aus allen möglichen Vereinen – von der Deckel-Maho-Werksfeuerwehr bis zur römisch-deutschen Ritterschaft – sind mittlerweile dabei. Dass die Pfrontar Viehscheid seit einigen Jahren von Einheimischen wieder anders wahrgenommen wird, zeigt sich laut Schubert auch am Samstagabend im Festzelt. Dort feiert alt zusammen mit immer mehr jung und jeder weiß, da trifft man Pfrontner. Zu diesem Zeitpunkt – wenn alles organisiert ist und geklappt hat – kommt auch bei ihm entspannte Feierlaune auf.
Der Viehscheid in Seeg (Ostallgäu) findet ebenfalls heute statt, ab 13 Uhr.