Ein Stück von Peter Heinle und Stephan Merkes erzählt von Wertachs Schimmelreiter Von Klaus Schmidt Wertach Wenn graue Wolken in unwirtlicher Nacht über die Sorgalpe zwischen Jungholz und Unterjoch ziehen, dann glaubt man mitunter Gestalten wahrzunehmen: Einen Schimmel, der wie im Fluge seinen Reiter in die dunkle Einsamkeit trägt. Ein schlimmes Vergehen soll auf jenem Mann lasten, das er durch ewige Ruhelosigkeit büße, erzählt die Sage: Um sein eigenes Leben zu retten, habe der ehemalige Wertacher Pfarrer und Rechtsgelehrte Dr. Bach wider besseres Wissen einen Eid geschworen, dass die Sorgalpe, über deren Nutzung sich die Wertacher mit den Jungholzer Bauern einst stritten, alleine den Wertachern gehöre. Wie es zu dieser Rechtsbeugung kam und wie raffiniert der Pfarrer dabei seinen höchsten Richter austricken wollte, das erzählt Der Schimmelreiter, ein Theaterstück mit viel Musik, das Peter Heinle (Idee und Text) und Stephan Merkes (Musik) jetzt vollendet haben. Sie reichern dabei die alte Sage mit neuen Handlungssträngen an: So treibt den Pfarrer zum falschen Schwur nicht nur sein Bemühen, dem eskalierenden Streit zwischen Jungholzern und Wertachern endlich ein Ende zu setzen, sondern ein persönlicher Vorteil: Falls er die Alpe den Wertachern zuspricht, erhält er von ihnen einen großen Grund bei der Sebastianskapelle. Darüber hinaus ist eine Liebesgeschichte ins Spiel eingeflochten: Die Tochter des Jungholzer Bürgermeisters will den Sohn des Wertacher Bürgermeisters heiraten. Doch so wie zunächst die Väter zanken sich alsbald auch die Jungverliebten wegen der Nutzung der Alpe. Die Lösung der verfahrenen Situation glaubt Dr. Bach gefunden zu haben: Um einen falschen Eid zu vermeiden, schaufelt er sich Wertacher Erde in seine Stiefel und steckt sich einen Schöpflöffel unter den Hut. Dann schwört er auf der Sorgalpe: So wahr ein Schöpfer über mir, steh ich auf Wertachs Boden hier. Doch über solche Schlauheit konnte offensichtlich der Herr im Himmel nicht lachen. Seit der Zeit muaß der Dr.
Bach zur Strof jede Nacht auf sein´m Schimmel über d´Sorgalpe reiten, erzählt die Großmutter ihrer Enkelin am Ende des Stücks. Das Gespräch der beiden Frauen umrahmt das Spiel und motiviert die Erzählung der Sage. Seit 1993 haben der Wertacher Ex-Gastwirt Heinle und der derzeitige Immenstädter und ehemalige Wertacher Kirchenmusiker Merkes an dem Projekt gearbeitet. Beim Besuch einer (schlechten) Operettenaufführung in Hindelang war die Idee geboren worden, wieder einmal am Fuße des Grünten ein Musiktheater aufziehen. Bis in die 60er Jahre hatten die Wertacher eigene Operettenaufführungen auf die Beine gestellt. An die letzte, Lolott von Emil Mielke, kann sich Heinle sogar noch erinnern, der 1962 in den Markt zog. Und auch Merkes, der vor 15 Jahren als Kirchenmusiker in den Ort unter dem Grünten kam, weiß aus eigener Erfahrung: Wir haben in Wertach eine ganze Menge guter Sänger. Und auch das instrumentale Potential und die Kunst des Theaterspielens habe eine gesunde Tradition. So ist denn der Schimmelreiter auch ganz auf die Wertacher Möglichkeiten angepasst. Der Text steht in Wertacher Mundart, die Musik der 24 Nummern ist in ihrer Besetzung auf Streicher, zwei Hörner und zwei Klarinetten beschränkt. Sie orientiert sich an echter Volksmusik und zitiert zwei Lieder: Drei Stund hinterm Grünten von Max Probst und Stephan Merkes Am Hörnle drob. Darüberhinaus ist eine alte Wertacher Weise miteingebaut, das Grüaß di Gott, du alter Spezi. Wo und wann das Stück mit seinen packenden Volksszenen und seiner kunstvollen Musik allerdings uraufgeführt wird, das steht noch in den Sternen. Vielleicht ergreifen ja die Wertacher die Gelegenheit beim Schopf und setzen ihre legendäre Musiktheater-Tradition fort.