Von Bernd Skischally, Memmingen/Unterallgäu - Es dauerte nicht lange, da machte sich die Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit auch in der Mode bemerkbar. 'Die Leute wollten wieder schön sein. Sie wollten ausgehen und tanzen - einfach sich was gönnen', erinnert sich die 67-jährige Lydia Brattke aus Buxheim, wenn sie an die 50er Jahre denkt. Die prägnantesten Mode-Trends waren Jeans-Hosen bei Männern und die so genannten Petticoats bei Frauen. Vor allem Jüngere zogen sich die Unterröcke an, damit ihre Kleider möglichst weit vom Körper abstanden. Dabei wurden mehrere Lagen aus steifen Kunststofffasern - meist Tüll oder Chiffon - übereinander genäht, so dass von der Taille weg ein kegelförmiger Kranz entstand. 'Das war etwas Neues und brachte frischen Wind in die Mode', sagt Brattke. Wenn Marianne Maucher in ihren Fotoalben blättert, erkennt sie sofort, welche Bilder aus den 50ern stammen. Sie, ihre Schwestern und Freundinnen - alle trugen damals Petticoats. 'Das war wirklich der letzte Schrei', erzählt die Memmingerin, die ebenfalls 67 Jahre alt ist. Kaum ein Wochenende sei vergangen, an dem sie nicht zum Tanzen aus war. Meistens ging es in die Buxheimer Schwabenhalle, wo man zu Live-Musik Walzer, Tango, Rock'n'Roll oder Boogie getanzt habe. Dabei galt die Faustregel: je weiter der Rock absteht, um so moderner und auffallender war man. 'Manche Älteren fanden diese Mode anstößig - vor allem weil die Röcke ja meistens recht kurz getragen wurden', sagt Maucher und zeigt im Fotoalbum auf ein Bild von ihrer Hochzeit. Selbst an diesem Tag durfte der abstehende Unterrock nicht fehlen. Da das Geld sehr knapp war, haben sich Maucher und Brattke ihre Petticoats nicht gekauft, sondern selbstgemachte getragen. 'Ich arbeitete damals beim Memminger Schneider-Geschäft Hauser. Von dort aus wurden Kleider nach ganz Europa verkauft', erzählt Brattke. Doch einen eigenen Petticoat der Marke Hauser habe sie sich nie leisten können. 'Ich habe mir selbst beigebracht, wie man die Unterröcke herstellt und dann die spezielle Nähmaschine der Firma genutzt', schildert die 67-Jährige. Maucher dagegen hatte eine gelernte Schneiderin in der Familie. Ihre Schwester Christine versorgte sie mit frischen Kleidern und Petticoats. 'Meine drei Schwestern und ich besaßen sicher jede mindestens vier Petticoats zum Durchwechseln', sagt Marianne Maucher.
'Himmel auf Erden' Wegen der Kombination aus neuer Mode und Musik und der damaligen Aufbruchstimmung hat der 63-jährige Manfred Prellwitz die 50er als 'den Himmel auf Erden' in Erinnerung. 'Es war eine Zeit, in der es - anders als heute - für junge Leute noch Perspektiven gab', sagt der Memminger. Neben Petticoats sei damals auch der Jeans-Hosen-Trend von den USA nach Deutschland geschwappt. 'Wer eine original Levis-Jeans hatte, war der King', erzählt Prellwitz. Er selbst habe keine besessen; ein paar Tricks, wie man in jeder Jeans-Hose gut aussah, weiß der 63-Jährige aber noch: 'Weil man die Hosen knalleng trug, legten sich manche mit der Jeans in die Badewanne und ließen sie dann an den Körper antrocknen.' Kuriose Tricks gab es auch unter den Petticoat-Trägerinnen: 'Wir haben uns manchmal Draht in den Saum genäht, damit er weiter absteht', erinnert sich Maucher.