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Otl Aichers Stil: Klar und zeitlos modern

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Otl Aichers Stil: Klar und zeitlos modern

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    'Allgäuer Pfahlbauten' oder: Schwarze Ateliergebäude bei der alten Mühle in Rotis ­ Respekt vor der Natur. Von Rita Winter Leutkirch/Legau'Allgäuer Pfahlbauten' werden sie angeblich im Volksmund genannt, die schwarzen Ateliergebäude bei der alten Mühle in Rotis. Die ehemalige Wohn- und Wirkungsstätte des Gestalters Otl Aicher, die wir in der heutigen Folge unserer Architektur-Serie vorstellen, war von 1972 bis in die 90er Jahre ein internationales Zentrum für Design und visuelle Darstellung von Unternehmen und Institutionen.

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    Abgeschieden liegt Rotis, zwischen Leut-kirch und Legau, an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern. Hier, wo das Allgäu unspektakulär und ein wenig herb ist, ließ sich 1972 Otl Aicher mit seiner Familie nieder. Der Mitbegründer und langjährige Leiter der Hochschule für Gestaltung in Ulm war mit seiner Arbeit für die Olympischen Spiele in München gerade einem Massenpublikum bekannt geworden. Von Aicher stammen die Piktogramme, die mit wenigen Strichen Sportarten seitdem eindeutig charakterisieren. In Rotis entwickelte er mit seinem Team die Schriftzüge des Raiffeisenverbandes, der West LB, des ZDF und die 'rotis-schrift'.

    Klar, schlicht, zeitlos modern ­ so wird Aichers Design charakterisiert. Auch seine Ateliergebäude in Rotis sind Zeugen dieser Arbeit: mit konsequenter Reduktion auf die Funktion des Produkts schuf er eindrucks-volle Formen von einer Ästhetik mit hohem Wiedererkennungswert. Die Gebäude in Rotis zeigen auch, dass eine perfekt zweckmäßige Form nicht immer auf den ersten Blick gefällt, sondern ihre Schönheit erst nach und nach offenbart.

    Sperrig, gar nicht 'landschaftsgebunden' ist dieses Nebeneinander von Alt und Mo-dern. Eindeutig erkennbar die beiden alten Gemäuer der Mühle, deren Hauptgebäude die Aichers zum Wohnhaus umbauten. Der Stall mit böhmischem Gewölbe und Tenne bekam den Namen 'Rotisserie' und bietet bis heute Raum für Tagungen und Feste. Besonders augenfällig aber sind die vier modernen Bauten, zwei davon auf Stahlstelzen. Die 'Kästen mit Sägezahndächern' sind mit schwarzem Holz verkleidet. Unverhohlen zeigen sie ihr Anderssein. Reine Zweckbauten sind sie, kühl, ohne Schnörkel, asketisch. Die Zick-Zack-Dächer sammeln das Nordlicht ­ die ideale Beleuchtung für Grafiker und Designer. Aicher hat die für seine Arbeit notwendigen Gebäude nicht kaschiert. Aber er hat sie mit Respekt vor den vorhandenen Bauten und vor der Natur erstellt. Das ist es, was Stephan Walter vom Kemptener Architekturforum an Rotis so beeindruckt. 'Die Neubauten machen sich nicht wichtig, sondern nehmen sich durch ihre Form und Gestaltung zurück', erläutert der Architekt.

    Im Klartext: Die Ateliers stehen ein biss-chen abseits, sind kleiner, zierlicher als die Altbauten. Der schwarze Anstrich unterstützt die Zurückhaltung. Als gelungen beurteilt Walter den Kunstgriff, die Ateliers auf Stelzen zu setzen. Dadurch wirken sie leichtfüßig, der Blick auf die Bachaue und das weitläufige, parkähnliche Gelände bleibt frei. 'Man merkt kaum, daß dort Gebäude stehen.' In die Stil-Schublade '70er Jahre' passen die Ateliers nicht, betont Walter. Auch heute könnten sie noch so gebaut werden. Den Vorwurf 'Fremdkörper in ländlicher Idylle' lässt Walter nicht gelten. Aicher habe sehr wohl Elemente ländlichen Bauens verwendet, etwa die Holzverschalung oder die großen, an Scheunentore erinnernden Öffnungen.

    Nach dem Tod Aichers 1991 und seiner Frau, Inge Aicher-Scholl (1998), hat sich Rotis gewandelt. Die Ateliers sind seit Jahren vermietet, der Rotis-Verein unter Vorsitz des bekannten Architekten Norman Foster unterstützt den Kraftakt, Rotis neu zu beleben. Kooperationen mit Hochschulen wurden vereinbart, die Söhne Julian und Florian Aicher veranstalten Tagungen und Workshops, etwa über regenerative Energien, zeitgemäßes Bauen und demokratische Kultur in der Provinz. Selbst Rockkonzerte fanden statt.

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