Der Landkreis Lindau kann sich sehen lassen, was zeitgenössische Kunst anbelangt. Das beweist die Ausstellung "LI - 2 & 2", die heute Abend im Kornhausmuseum Weiler eröffnet wird. Zwei Künstlerinnen und zwei Künstler hat der Weistallgäuer Heimatverein dafür ausgewählt: Markus Pieper aus Röthenbach, Uta Weik aus Lindau, Rainer Goettgens aus Wohmbrechts und die Lindenbergerin Leonie Felle setzen seit Jahren mit großer Ernsthaftigkeit ihre Ideen um und haben dabei charakteristische und reiche bildnerische Sprachen entwickelt. Wer sich beim Gang durch die Ausstellung zu wachem Betrachten anregen lässt, stößt auf einige Überraschungen und manches Geheimnis.
Wie Goettgens die wundersamen Objekte zu schlüssigen und vieldeutigen Bildern zusammenfügt, stellt ihn als Könner heraus. Und auch ein bisschen als Schelm - was spitzbübische Titel wie "Plus Blume" oder "mit Fisch" noch unterstreichen.
Markus Pieper erschließt den Besuchern besondere Kosmen, die sich häufig in banaler Umgebung verbergen, einer geschindelten Wand etwa, einem Feldstadel oder im Wald auf Jägerständen. Sie sind ein Lieblingsthema Piepers. Wenn er sich ihnen künstlerisch nähert, sie von außen, von innen oder auch als "Einblick" mit Ölfarbe malt und dabei die Perspektive akribisch einhält, kreiert er Stillleben in zeitgemäßer Form. Er ermuntert zum genauen Schauen, zum Sehen und Erkennen.
Weiteres Beispiel: das Ölbild "Stapel". Aktendeckel aus Karton, angefüllt mit ungezählten Blättern Papier, in zwei Stapeln hoch übereinanderschichtet, werden sonst für eine nüchterne, fade, womöglich verstaubte Angelegenheit gehalten. Pieper aber schält hier sowohl Spannung als auch Ästhetik heraus. Welche Vorgänge, Erinnerungen oder hoffnungsvolle Anträge sind zwischen Pappendeckel gepresst? Müssten sich die hohen Papiertürme nicht irgendwann zur Seite neigen? Dem in Lindau als Kunsterzieher arbeitenden Maler gelingt es, der grauen Materie eine ungeahnte Farbigkeit zu entlocken. Er entdeckt das Weiß, das Rot und das Grün der Kartonmappen und verleiht der Darstellung mit blauer Schattierung zusätzlich Vitalität.
Ein Hauch Melancholie

City. Nature. Future.
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Leonie Felle hat eben in München ihr Kuntstudium abgeschlossen und zeigt im Kornhaus einnehmende Fotoarbeiten. Ein Hauch Melancholie wohnt ihren Arbeiten inne, bilden sie doch häufig Situationen des Verfalls, der Zerstörung oder des Wandels ab. Felle legt Schönheit frei, wo die Vergänglichkeit herrscht, setzt Fetzen oder Scherben als üppige Ornamente in Szene. Dabei bedient sie sich ausgefeilter Technik.
"Zimmer Nr. 7" heißt ihr größtes in Weiler präsentiertes Werk. Abgebildet ist die beinahe vollständig abgerissene Tapetenbahn im Eck eines Raums.
Mit raffiniertem Einsatz von Blende und Belichtungszeit verteilt die Fotokünstlerin Schärfe und Unschärfe gezielt über die Szene und erreicht so eine frappierende Tiefenwirkung - als ob sich hier tatsächlich eine Tapete von der Wand ablöste. Dass diese Abbruch-Situation eine poetische Grundstimmung erfährt, ist den wenigen, wirkungsvoll inszenierten Farben zu verdanken. Warmes Senfgelb und zartes Grün füllen das Bild.
Zyklen der Natur
Uta Weik aus Lindau ist in Weiler mit ihrer zwischen 1999 und 2002 entstandenen Tobelserie vertreten. Ihre großformatigen Tafeln veranschaulichen mit Pinsel und Farben umgesetzte Sinneseindrücke, die sie bei Wanderungen in einem Tobel am Pfänderrücken gesammelt hat.
Dabei sind Werkzeug und Material ganz unterschiedlich eingesetzt: Breite, flächige Aufträge von satten Farben vermitteln Ruhe, Gleichmaß, Solidität wie sie in massiven Felsen, starken Bäumen oder stillen Wassern zu finden sind. Hektische, kurze, wild angeordnete Pinselstriche in abgestuften Farben, mit Licht- und Schattenflecken lassen an rauschendes Wasser, an Strudel, Gischt und Wind erinnern. Wer sich auf diese Tobelwanderung einlässt, kann vor den Gemälden stehend die Sinnlichkeit der unberührten Natur erleben mit ihren Zyklen von rasender Bewegung und abwartendem Innehalten, von Enge und Weite, Licht und Düsternis.
Vernissage heute um 19 Uhr; Öffnungszeiten (bis 29. Mai): Mittwoch bis Sonntag 14.30 bis 17 Uhr.