Zwei Mal war Irsee heuer schon im Fokus für Erlebnispädagogik: Zunächst bei der Aktion 'Jugend bewegt', später bei der Ferienfreizeit. Für Hartmut Paffrath ist das auch eine persönliche Freude. Der außerordentliche Professor lebt in Irsee und gilt als einer der Vorreiter der Erlebnispädagogik in Deutschland. Deren Geschichte und Entwicklungsstand beschreibt Paffrath nun in seinem neuesten Buch, das bei einem Kongress an der Universität Augsburg vorgestellt wird.
Bevor Paffrath an die Uni ging, war er Lehrer. Damals versuchte er 'die traditionelle Schulwirklichkeit' zu überwinden. Er animierte die Schüler zum Mitmachen bei praktischen Projekten: 'Sie suchten nach geschichtlichen Spuren und Zukunftsperspektiven, interessierten sich für Gebäude, Geschäfte, Betriebe und die dort arbeitenden Menschen', erläutert Paffrath. Es sei um die 'Förderung individueller Stärke statt dogmatische Lehre' gegangen. Diese Art von Erlebnispädagogik weitete Paffrath sogar bis in das Tennis aus: Sein Lehrbuch wurde vom damaligen Davis Cup-Kapitän Niki Pilic zu den 'besten drei' gezählt. Später lehrte Paffrath seine unkonventionelle Herangehensweise auch an der Uni in Augsburg und wurde dafür ausgezeichnet.
Rund 100 Jahre sind die Vorläufer der Erlebnispädagogik alt. Inzwischen ist diese Lehrform zumindest in Westeuropa und den USA etabliert. Klassische Varianten sind Jugendliche auf einem Boot, eine Gruppe Erwachsener vor Hindernissen, die nur gemeinsam überwunden werden können, oder Kinder, die mit begrenzten Hilfsmitteln aber ihrer Fantasie Aufgaben zu bewältigen haben. Daraus entwickelten sich Outdoor-, Umwelt-, Stadt- oder Abenteuererziehung. Paffrath geht der geschichtlichen Entwicklung der Erlebnispädagogik nach, zeigt ihre methodischen Ansätze, Prinzipien und Ziele auf.
Zudem beschäftigt er sich mit praktischen Modellen und Anwendungsbereichen von der Schule und der Uni, über Betriebe bis zur Freizeit. Dabei differenziert er zwischen Jugend-, Kinder- und Erwachsenenbildung und referiert über die Fähigkeiten von Erlebnispädagogen.
Doch zugleich beleuchtet er die Pädagogik auch kritisch – ihre gegenwärtige Popularität vereinfache ihren Ansatz: 'Sie degeneriert tendenziell zu einer Spaßpädagogik', so der Professor. Als Beleg führt Paffrath auch eine Reihe von Kritikpunkten auf: Gerade für unsere Erlebnisgesellschaft sei diese Pädagogik ein Nährboden für 'theatralische Selbstinszenierungen', werde das Leben gleichsam zur Performance.
Doch Paffrath will dem auch mit seiner Schrift gegensteuern: 'Erlebnispädagogik ist mehr als ein methodischer Ansatz, mehr als bloße Spaßpädagogik oder ein kurzlebiger Trend. Sie stellt vielmehr ein differenziertes Erziehungs- und Bildungskonzept dar.' Insofern sei das Buch 'eingebunden in ein Verständnis der Pädagogik als kritischer Erziehungswissenschaft'.
Prof. Hartmut Paffrath: 'Einführung in die Erlebnispädagogik', Augsburg 2012 (ISBN 978-3-940 562-81-4). Das Buch wird beim internationalen Kongress 'erleben und lernen' (28./29. September) an der Universität Augsburg vorgestellt.