Brigitte Zellner hatte sich alles reiflich überlegt und schon die ersten Pläne geschmiedet. Ein altes Haus aus Familienbesitz wollte sie kaufen, an die 100 Jahre alt, dazu fast 800 Quadratmeter Grund. Seit zehn Jahren steht das Gebäude leer, dient nur noch als Lager. Über ein Jahr lang stand das Gebäude in der Pfarrgasse in Obergermaringen zuletzt zum Verkauf, immer wieder schauten Interessenten vorbei. Ein Käufer fand sich nicht. Und so griff Zellner zu. Für knapp 95000 Euro.
Die zweifache Mutter ließ das Haus ausräumen, bezahlte einen Container, dazu die übliche Grunderwerbsteuer und Notarkosten. Und dann kam plötzlich alles ganz anders. Die Gemeinde Germaringen machte nach einigem Zögern von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Dass es eine solche Regelung gibt, war Zellner bewusst. "Ich habe mich ja vor dem Kauf beim Bürgermeister selbst informiert, ob die Gemeinde Interesse an dem Haus hat", erklärt sie. Eine konkrete Zusage habe sie seitens der Verwaltung aber nie bekommen, selbst nicht, nachdem das Thema im Gemeinderat auf der Tagesordnung stand. Zwei Monate hätte sie auf eine Entscheidung der Gemeinde warten müssen. Sie habe sich selbst nochmals im Gemeindeamt gemeldet und rückgefragt. "Ich war an einer ehrlichen Kooperation und einem guten Verhältnis mit der Gemeinde interessiert", erklärt sie.
Sie solle einfach zum Notar gehen, habe sie damals als Antwort erhalten. Jetzt macht sie Bürgermeister Kaspar Rager und der Gemeinde große Vorwürfe. Die Kommune habe bewusst auf Zeit gespielt, um den Kaufpreis zu drücken. "So geht man mit Bürgern nicht um", schimpft Zellner. Sie wirft Rager sogar vor, mögliche Interessenten durch Falschaussagen bewusst vom Kauf abgehalten zu haben.
Dem widerspricht der Bürgermeister: "Es gibt schon seit 1993 einen Bebauungsplan. Und darin steht, dass eine Verwendung des Grundstücks und des Hauses nach einem Verkauf nur für Friedhofszwecke erlaubt ist." Das Areal sei für die Gemeinde durchaus attraktiv, sagt der Bürgermeister. Und daher habe man schon länger Interesse gehabt, sei sich lediglich mit dem Verkäufer nicht über den Preis einig geworden.
Seitens des Verkäufers heißt es, die Gemeinde sei angeblich nur bereit gewesen, den Grünflächenpreis und nicht den üblichen Marktpreis zu zahlen, selbst ein Grundstückstausch sei gescheitert. Der Bürgermeister sagt, man habe keineswegs unerlaubt gehandelt, lediglich alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Das Grundstück ragt in den Obergermaringer Friedhof hinein und sei daher besonders wichtig für die Gemeinde. In erster Linie in Sachen Erweiterung der Gräberstätten. "Die Pläne sind noch nicht ausgereift. Wir haben uns jetzt erst einmal das Grundstück gesichert. Mittelfristig werden wir das Haus abreißen", erklärt der Bürgermeister weiter. Den Platz wolle man dann etwa für Sanitäranlagen oder Parkplätze nutzen. Das wiederum kann Zellner nicht verstehen.
"Wie kann man dieses Haus abreißen? Ein Haus mit ursprünglichen Fenstern, alten Beschlägen im besten Zustand, ein Gebäude, das seit 100 Jahren neben der Kirche steht und für jeden Kirchenbesucher ein prägender Eindruck ist. Was ist da mit Denkmalschutz?", fragt sie. Laut Ottmar Huffschmid ist beim Verkauf der Immobilie an die Gemeinde alles mit rechten Dingen abgelaufen. Er ist Rechtsanwalt, unter anderem spezialisiert auf Miet-, Pacht- und Immobilienrecht, sowie Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins Kaufbeuren und Umgebung. Grundsätzlich hätten Gemeinden auf alle Immobilien und Grundstücke innerhalb einer Kommune ein Vorkaufsrecht. Das ist im Baugesetzbuch geregelt.
Allerdings erklärt Huffschmid: "Das Grundbuchamt darf bei Kaufverträgen den Käufer als Eigentümer nur eintragen, wenn ihm die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts nachgewiesen wird." Die Gemeinde hätte bei Verzicht unverzüglich ein Zeugnis ausstellen müssen. Zellner hat inzwischen Rechtsbeistand eingeschaltet. Der Kauf wurde rückabgewickelt, auf einem Großteil der Nebenkosten ist Zellner bislang aber noch sitzengeblieben.