In die seit Monaten verwaiste Seelenkapelle soll bald wieder Leben einkehren. Wie Stadtpfarrer Dr. Michael Lechner bestätigte, wurde das kleine Gotteshaus, das zu den Wahrzeichen der Stiftsstadt zählt, an die russisch-orthodoxe Nikolaus-Gemeinde verkauft. Diese will die Kapelle ab Mai aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken.
Schon lange hatten sich die Stiftsstädter um die Zukunft ihres Wahrzeichens gesorgt. Immerhin hat die Kapelle, die 1680 von Fürstabt Rupert von Bodman erbaut wurde, eine lange Geschichte vorzuweisen. Angelegt als Friedhofskapelle, hatten beispielsweise die Kemptener Gymnasien jahrelang ihre Gottesdienste darin abgehalten. Allerdings: Im Innern der Kapelle gibt es großen Sanierungsbedarf, laut Stadtpfarrer Lechner vor allem in puncto Installationen. Eine Renovierung vor zehn Jahren hatte sich lediglich auf das Äußere beschränkt.
Nachdem dann auch noch die italienische Gemeinde fortzog, die die Kapelle zeitweilig genutzt hatte, stand die Seelenkapelle leer. Ein neuer Eigentümer wurde nun in der Nikolaus-Gemeinde gefunden, die schon früher dort Gottesdienste gefeiert hatte. "Die Gemeinde genießt derzeit Gastrecht in Hirschdorf, wollte aber schon lange wieder in die Kemptener Innenstadt zurückkehren", erklärt Stadtpfarrer Lechner.
Ihm ist besonders wichtig, dass durch die Kapellen-Veräußerung den russisch-stämmigen Kemptenern eine "neue spirituelle Heimat" geboten werden könne. Der notarielle Vertrag sei bereits unterzeichnet. Zum Kaufpreis schweigt sich der Stadtpfarrer zwar aus, allerdings habe es sich "eher um einen symbolischen Betrag" gehandelt.
Wertvolle Altarbilder
Damit geht das denkmalgeschützte Gebäude nun also an die Nikolaus-Gemeinde über. Die teils wertvolle Inneneinrichtung bleibe in katholischem Besitz, dürfe von den Orthodoxen aber genutzt werden, erklärt Lechner.
Dazu zählen auch die Seitenaltäre aus der Zeit um 1700 und die Altarbilder von Franz Benedikt Hermann, die sich mit der Thematik der Armen Seelen beschäftigen - also den im Fegefeuer befindlichen Seelen, die (im Gegensatz zu den Verdammten der Hölle) später in den Himmel gelangen.
Erzpriester Nikolai Zabelitch, der die russisch-orthodoxe Gemeinde von München aus betreut, freut sich auf den Umzug seiner Gläubigen in die Innenstadt. "Die Lage ist sehr gut, da viele unserer etwa 60 Mitglieder zu Fuß zum Gottesdienst kommen können", sagt er. Auch müsse man die Ikonen nicht immer transportieren - für den Gottesdienst in Hirschdorf müssen sie jedes Mal auf- und abgebaut werden.
Vor dem Einzug, so sagt Zabelitch, wolle man in der Seelenkapelle aber noch die eine oder andere Auffrischungsmaßnahme durchführen. Am 23. oder 24. Mai werde der erste Gottesdienst der Orthodoxen stattfinden. Aber auch für die anderen Kemptener Bürger, so sagt Zabelitch, werde die kleine Kapelle künftig wieder offen stehen. "Unsere Leute werden sie sicher an einigen Tagen für die Menschen öffnen."
Ilse Roßmanith-Mitterer, Vorsitzende der Stiftsstadtfreunde, freut sich darüber, dass die Kapelle belebt werden soll. Gleichwohl sie es doch bedauert, dass die katholische Kirche das traditionsreiche Gotteshaus nicht selbst habe halten wollen.