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Obstanbau: Gibt es in Zukunft noch Erdbeeren vom Bodensee?

Die Probleme der regionalen Obstbauern

Obstanbau: Gibt es in Zukunft noch Erdbeeren vom Bodensee?

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    Reife Erdbeeren liegen in einer Box auf einem Erdbeerfeld. Der Erdbeeranbau am Bodensee entwickelt sich gerade teilweise zu einem Verlustgeschäft. (Symbolbild)
    Reife Erdbeeren liegen in einer Box auf einem Erdbeerfeld. Der Erdbeeranbau am Bodensee entwickelt sich gerade teilweise zu einem Verlustgeschäft. (Symbolbild) Foto: IMAGO / Silas Stein

    Von Mai bis Juli ist Erdbeersaison. Dann heißt es raus auf die Erdbeerfelder und ran ans Ernten. Doch die Zahl der Erdbeerfelder in Bayern nimmt laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik in den letzten Jahren stetig und deutlich ab. Im Jahr 2022 wurden, im Vergleich zum Vorjahr (2021), um 8,1 Prozent weniger Erdbeeren angebaut. Vergleicht man das Jahr 2022 mit dem Durchschnitt der sechs Jahre davor (also 2016 - 2021) , so nahm der Erdbeeranbau insgesamt sogar um 19,5 Prozent ab. Auch die statistischen Zahlen für Baden-Württemberg zeigen einen deutlichen Rückgang der Anbaufläche von Erdbeeren in den letzten Jahren. Das Problem: Regional angebaute Erdbeeren entwickeln sich für die Obstbauern zunehmend zu einem Verlustgeschäft. 

     Obstbauern vom Bodensee geben den Erdbeeranbau auf

    Auch am Bodensee ist die Lage ähnlich. Wie Andreas Ganal, der Geschäftsführer des Vereins Obstregion Bodensee sagt, gehen die Anbauflächen für Erdbeeren in der Region zurück. Ihm zufolge gibt es Obstbauern am Bodensee, die sagen: "Wir hören ganz auf". Dasselbe berichtet auch Janina Bembenek von der Marketing-Leitung der Vertriebsgesellschaft Obst am Bodensee: "In den vergangenen Jahren wurden die Anbau-Flächen sukzessive bei unseren genossenschaftlich organisierten Erzeugerinnen und Erzeugern verkleinert. Teilweise geben Erzeugerinnen und Erzeuger ihre Flächen komplett auf, da die Kosten einfach nicht mehr gedeckt werden konnten", sagt sie.

     Erdbeeren vom Bodensee wird es dennoch auch in Zukunft geben

    Doch das Problem hört nicht bei den Erdbeeren auf: "Der Erdbeeranbau leidet, wie der gesamte Obstanbau am Bodensee", sagt Ganal. Die Gründe dafür? Es lohnt sich immer weniger. Der Erdbeeranbau, wie auch der Anbau anderer Obstsorten, leide laut Ganal unter den stark gestiegenen Kosten. Die Erlöse der Obsterzeuger steigen dahingegen bei Weitem nicht im gleichen Maße oder sinken sogar. Dennoch wird der Erdbeeranbau am Bodensee laut Bembenek nicht aussterben: "Trotz allem wird es auch in Zukunft Erdbeeren vom Bodensee geben! Am Bodensee gibt es Erzeugerinnen und Erzeuger, die auf Erdbeeren spezialisiert sind und für die diese Frucht die Haupteinnahmequelle darstellt – auch im Bio-Bereich", erklärt sie.

    Wird der Erdbeeranbau wegen dem Mindestlohn ein Verlustgeschäft?

    Zu den enorm gestiegenen Kosten würden unter anderem die Energiepreise aber insbesondere auch die Lohnkosten für die Arbeiter auf den Feldern, die den Mindestlohn erhalten, gehören. Und genau der bereitet vielen regionalen Obstbauern am Bodensee, aber auch in ganz Deutschland, Probleme. Denn, gerade Sonderkulturen wie Erdbeeren sind sehr arbeitsintensiv. Das bedeutet es braucht viele Arbeitskräfte, bzw. viele Arbeitsstunden zum Ernten der Früchte. Bei Kulturen wie der Erdbeere beträgt der Lohnkostenanteil mittlerweile deutlich über die Hälfte der gesamten Produktionskosten. Das liegt auch daran, dass der Mindestlohn steigt.

    Erdbeerenernte - polnische Erntehelfer pflücken Erdbeeren auf einer Erdbeerplantage.
    Erdbeerenernte - polnische Erntehelfer pflücken Erdbeeren auf einer Erdbeerplantage. Foto: IMAGO / Countrypixel

     Obstbauer vom Bodensee: " Kosten steigen in jeder Hinsicht enorm"

    Auch Klaus Strodel, ein Obstbauer aus Weißensberg im Landkreis Lindau, sieht sich mit den steigenden Kosten konfrontiert. Strodel baut viele verschiedene Obstsorten an. Dazu gehören Äpfel, Kirschen, aber eben auch Erdbeeren. Er selbst habe seine Anbaufläche von Erdbeeren inzwischen schon reduziert. "Die Kosten steigen in jeder Hinsicht enorm", sagt er. Dabei meint auch er, dass die stetige Steigerung des Mindestlohns zu den hohen Produktionskosten beitrage und somit zu einem Verlustgeschäft bei arbeitsintensiven Kulturen, wie Erdbeeren führe. "Das muss man sich mal vorstellen", sagt er, "der Mindestlohn ist nun in einem Jahr um 22 Prozent gestiegen." Das trage deutlich zu den hohen Kosten bei. "Klar, wer in Deutschland lebt, braucht Mindestlohn. Da führt kein Weg vorbei", meint Strodel, der allgemein kein Problem mit dem Mindestlohn hat, aber dennoch glaubt, dass viele Obstbauern so nicht mehr lange produzieren können. 

     Löst eine Sonderregelung beim Mindestlohn das Problem?

    Dieses Problem ist auch Andreas Ganal bewusst. "Der Mindestlohn ist für die Obstbauern problematisch. Dadurch entsteht eine zu starke Belastung", sagt er. Der Verein Obstregion Bodensee bemüht sich deshalb um eine politische Lösung: "Wir benötigen eine gute Lösung, die auch die heimische Obstproduktion berücksichtigt und erhält", sagt er. Eine Möglichkeit könnte laut Ganal eine Sonderlösung beim Mindestlohn sein. Da Menschen, die in Deutschland leben und den Mindestlohn erhalten, einen "Brutto-Mindestlohn" bekommen, bei dem es noch Sozialabgaben gebe, könnte ja ein sogenannter "Netto-Mindestlohn" für kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte eine Möglichkeit sein. Diese saisonalen Arbeitskräfte erhalten ihren Lohn nämlich ohne Abzüge der Sozialversicherungen. Der Lohn würde bei diesem Ansatz an das angepasst, was einer in Deutschland lebenden Person nach den Abzügen noch bleibe. 

    "Kann kein Geschäft auf Kosten der Arbeitnehmer sein"

    Dieser Lösungsansatz stößt allerdings nicht überall auf positive Resonanz: "Wir halten davon nichts", sagt Heike Stoffels, die stellvertretende Regionalleiterin der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in der Region Bayern. "Wie verstehen natürlich, dass der Obstanbau ein schwieriges Geschäft ist, es kann aber natürlich kein Geschäft auf Kosten der Arbeitnehmer sein", gibt Stoffels zu bedenken. Ihr zufolge wäre eine solche Regelung allgemein gesehen, überhaupt nicht fair: Es gibt nur den einen Mindestlohn. Da kann man keine Ausnahmen machen", erklärt sie. Zudem ist die stellvertretende Regionalleiterin davon überzeugt, "dass wir, wenn wir den Mindestlohn nicht bezahlen, auch massive Problem bekommen werden, Erntearbeiter zu finden."

     Wettbewerb mit anderen Ländern macht regionalen Obstbauern das Leben schwer

    Doch es gibt neben den Lohnkosten noch ein anderes Problem, dass den regionalen Obstbauern das Leben schwer macht. Und das ist der Wettbewerb mit anderen Ländern. Strodel zufolge klafft die Preisschere zum Beispiel zu Ländern wie Spanien hier immer mehr auseinander. "Supermärkte wollen die Preise von Erdbeeren aus Spanien. Da ist es für uns schwierig mithalten zu können", sagt er. Dabei hat Strodel sich sowieso schon aus dem Geschäft mit dem Großhandel zurückgezogen. Er selbst betreibt nur noch Direktvermarktung an Kunden mit Hofläden und auf Wochenmärkten. Doch was seine Kollegen, die vom Großhandel abhängig sind, angeht, so glaubt er, dass Erdbeeren hier auf kurz oder lang nicht mehr produzierbar sind. Er kenne deshalb bereits jetzt schon viele Betriebe am Bodensee, die einfach aufhören würden und fragt sich, wie lange die Verbraucher noch bereit sind die Erdbeeren aus der Region zu bezahlen - und nicht einfach die aus Spanien zu nehmen. "Dabei haben wir hier in Deutschland und am Bodensee die besten Böden und Voraussetzungen für Lebensmittel und lassen es dann aber vom Ausland produzieren", wundert er sich.

     Erbeersaison 2023 am Bodensee

    Trotz alledem werden die ersten Erdbeeren vom Bodensee schon bald zu kaufen sein: "Erste kleine Mengen werden wir als Obst vom Bodensee Vertriebsgesellschaft voraussichtlich am Wochenende 5./6. Mai an den Lebensmitteleinzelhandel vermarkten", freut sich Janina Bembenek.

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