Oberstdorf(pts). - Der verheißungsvolle Slogan 'Autofreies Oberstdorf', unter dem der Ferienort den Autoverkehr 1992 aus dem Zentrum drängte, hat laut Bürgermeister Thomas Müller seine Daseins-Berechtigung eingebüßt. Das Verkehrskonzept mit Auffang-Parkplätzen, einem schadstofffreien Innerortsbus und einer ausgedehnten Fußgängerzone war von Vorgänger Eduard Geyer geprägt worden. Auf einen überarbeiteten 'Generalplan' steuert indes der Nachfolger zu. Müller: 'Oberstdorf steht es wirtschaftlich nicht durch, das Auto aus dem Ort zu vertreiben.' Der fast ein Jahr amtierende Bürgermeister weiß noch nicht genau, wie die Verkehrsströme künftig zu lenken sind. An der 'Errungenschaft' der Fußgängerzone will er festhalten und auch die Peripherie-Parkzonen nicht künstlich zurückbauen. Nur den mittlerweile mit Diesel-Aggregat laufenden Ortsbus, der die finanziell gebeutelte Gemeinde rund 200000 Euro jährlich kostet, will Müller opfern. Es dürfe 'keine Gewinner und Verlierer geben', wie beim bisherigen Modell, wo Autoverkehr aus dem Geschäftszentrum herausgedrückt und in früher unbelastete Wohnstraßen verdrängt worden war. Müller hatte das Versprechen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, im Kommunalwahlkampf abgelegt. Bei der gegenwärtigen Leitbild-Diskussion in der 'Zukunftswerkstatt Tourismus' zerbricht sich ein Arbeitskreis unter Beteiligung der Bürgerinitiative den Kopf, was mit den Autos werden soll.
Aber, so Müllers Erkenntnis: 'Es prallen zu viele unversöhnliche Einzelinteressen aufeinander'. So ist man im Rathaus auf der Suche nach einem Verkehrsplaner und Projektbegleiter. Gewisse Vorstellungen hat Müller aber schon. Er setzt beispielsweise auf ein intelligentes Verkehrsleitsystem zu den Beherbergungsbetrieben und auf eine Ausstattung der innerörtlichen Parkplätze mit Schranken. Die nie angepackte Idee einer 'Großen Ostzufahrt' als Zubringer zu Sportstätten und Tourismus-Ei nrichtungen, wie Schattenberg-Skistadion, Eislaufzentrum und Nebelhornbahn darf laut Müller kein Tabu sein. Um ihre Neubaupläne zu realisieren, erwartet die Bergbahn eine Zufahrts-Garantie. Jetzt rollt der Verkehr noch über die Wohnstraßen der Kläger gegen das einstige Pilotprojekt. Die Bürgerinitiative, die sich bei einem Info-Abend über das zu ihren Gunsten ausgefallene Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs freute, gibt inzwischen ihre verbale Zurückhaltung in Müllers Rathaus-Startphase auf. Vorsitzender Martin Dentler und sein Vorstandskollege Klaus Lehnartz, die gegen das Verkehrskonzept zu Felde gezogen waren, drohen mit Untätigkeitsklagen, wenn nicht ihre Straßen gemäß Urteil in wenigen Wochen vom Durchgangsverkehr befreit würden. Der Rathaus-Chef hat inzwischen einkalkuliert, dass auch er als Beklagter vor Gericht gezerrt werden könnte. Eine klare Absage erteilt er früheren Vorstellungen der Bürgerinitiative über ein 'Einheimischen-Modell' mit Plakettensystem. Müller: 'Es kann nicht Ziel sein, den Tagesausflugsverkehr außen vor zu lassen, und die Einheimischen fahren sich mit ihren Autos schwindlig.'