An Fernsehübertragungen von Wettspielen im Allgemeinen dürfte den europäischen Zuschauern aufgefallen sein, dass das chinesische Publikum einheitlich jubelt. Dies ist Resultat einer Vorschrift der chinesischen Behörden: Jeder Jubel soll in einer festgelegten Abfolge stattfinden: "in die Hände klatschen", "Daumen erheben", "wieder klatschen" und "Arme erheben". Der bevorzugte Zuruf zum Anfeuern ist dabei "Jiayou" (auf gehts!) Die Idee besteht darin, dass das Publikum eine Einheit bilden soll, um ein ordentliches Bild zu präsentieren und mögliche Ausschreitungen im Keim zu ersticken.
Es ist zweifelsohne eine gut gemeinte Idee, den Jubel von einem massiven Publikum in eine standardisierte Abfolge zu bringen. Jedoch mag diese Vorschrift diskussionsbedürftig sein: Denn Jubel ist nicht nur ein Ausdruck der Begeisterung, sondern auch der Anerkennung sowie Ermutigung für die Sportler. Er ist genauso mitreißend und leidenschaftlich wie der Wettkampf selbst. So gesehen ist Jubel kulturell geprägt und individuell zugleich. Er ist deswegen kulturell geprägt, weil sich das Verhalten im Stadion während der Momente des Mitfieberns aus Glauben, Nationalgefühl und Ritualen einer Nation ableitet.
Mit der Globalisierung nähern sich jedoch die groben Formen des Jubels der verschiedenen Nationen an, sodass es wenig sinnvoll ist, eine neue Form des Jubels mit nationaler Prägung anzustreben.
Ausdruck des Glücks
Ein Jubel ist auch deswegen individuell, weil er der momentanen Gefühlslage entspringt und daher einen Teil der Charaktereigenschaften eines Menschen enthüllt. So ist es weder möglich noch lobenswert, Menschen die Form ihrer individuellen Begeisterung vorzuschreiben. Im Geschäftsleben hat sich Individualismus schon durchgesetzt. Das Unternehmen Mayr Antriebstechnik verzeichnet zunehmend Markterfolge mit anwendungsoptimierten Kupplungen und Bremsen. Der Wechsel vom kollektiven Massenprodukt zu individuell gestalteten Produkten ist längst vollzogen.

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Die Idee über eine einheitliche Form des Jubels spiegelt den Stellenwert des Individuums im chinesischen Denken wider. Im Konfuzianismus, der die chinesische Kultur tief beeinflusst hat, spielt die Doktrin von Maß und Mitte eine wichtige Rolle. Dementsprechend gab es in der chinesischen Tradition kaum eine Zeit, in der einem Individuum so viel Bedeutung zugewiesen wurde wie in Europa. Während das Individuum in Europa seit der Renaissance als Zentrum anerkannt wird, wird der Einzelne im chinesischen Denken stets in seiner Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft dargestellt.
Im Sport spiegelt sich dieser Unterschied darin wider, dass Sportler in Europa oft als Einzelkämpfer gefördert werden, während in China die Zusammenarbeit betont wird. Ein Beispiel dafür liefert ein ehemaliger Mittelfeldspieler der chinesischen Fußballnationalmannschaft, der sich in Deutschland die Technik in dieser Position aneignen und mit nach China nehmen sollte. Er konnte jedoch mit dem Erlernten nichts anfangen, weil es im chinesischen Fußball keine entsprechende Funktion im Team gibt.
Das Denken "Kollektivität vor Individualität" findet nun in der Intention, den Jubel zu vereinheitlichen, erneut einen Ausdruck und stößt selbst bei manchen Chinesen auf Bedenken. Ein Leser äußerte in einer chinesischen Zeitung seine Zweifel, ob diese Vorschrift sich überhaupt durchsetzen wird.
Denn ein "Bravo" sei ein echter und spontaner Ausdruck und verliere in dem Moment an Authentizität, in dem es als Resultat einer trainierten Geste ausgesprochen werde.
Jubel wird bei den Olympischen Spielen also nicht fehlen, in welcher Form auch immer.