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Zum Psychologen finden viele nur in der virtuellen Welt

Kempten

Zum Psychologen finden viele nur in der virtuellen Welt

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    Zum Psychologen finden viele nur in der virtuellen Welt
    Zum Psychologen finden viele nur in der virtuellen Welt Foto: hermann ernst

    "Brauche ich Hilfe?" lautet der Betreff der ersten E-Mail an diesem Vormittag. Einige Sekunden später blinkt die Nachricht in voller Länge auf dem Bildschirm von Monika Vey auf. Die Diplom-Psychologin überfliegt den Text. Es geht um den Tod des besten Kumpels, um Ärger mit den Eltern, um Wut, Aggression und den Wunsch nach einer Beziehung. Wer die E-Mail geschrieben hat, wo er wohnt und wie er aussieht, weiß die Psychologin nicht. Sie kennt nur das Alter - 17 Jahre. Monika Vey gehört zu den bayernweit etwa 20 Experten, die im Auftrag der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE) Jugendlichen und Eltern bei Problemen helfen. Und zwar übers Internet und anonym. "Diese Anonymität ist wichtig, weil sich viele nur so trauen, mit ihren Problemen Hilfe zu suchen", erzählt Vey.

    Zum Beispiel die junge Frau, die davon berichtet, dass der Stiefvater ihr immer im Badezimmer zusieht. Oder der Schüler, der sich "ritzt", sich ständig selbst verletzt. Oder das Mädchen, das sich in den Lehrer verliebt hat. "Die Probleme sind vielfältig", erklärt Vey. Und überwiegend "doch sehr ernst".

    Wer über das Onlineportal Hilfe sucht, gibt bei der Anmeldung Alter und Geschlecht an - die Mailanfragen werden dann über eine Zentrale an die Berater verteilt. Gut 100 sind es in ganz Deutschland. Nach Region zugeordnet werden die Mails nicht - auf dem Rechner von Monika Vey landen E-Mails aus der ganzen Bundesrepublik. Innerhalb von 48 Stunden muss sie dann eine erste Antwort verfassen. Die besteht oftmals aus Rückfragen - vor allem, wenn die Mail nur aus wenigen Sätzen enthält.

    Und noch etwas ist wichtig: "Da man sich ja nicht sieht, muss man Lob klar formulieren und die Jugendlichen darin bestärken, dass es gut ist, sich Hilfe zu holen."

    Die Mails druckt die Psychologin zunächst aus, streicht wichtige Stellen an, formuliert ihre Antwort und entsprechende Rückfragen. Wie zum Beispiel geht sie im Fall vor mit dem Tod des besten Kumpels? "Da werde ich schreiben, dass Trauer und Verletzlichkeit zwar normal sind nach so einem Verlust. Allerdings scheint mir die Aggression und der lange Zeitraum doch ungewöhnlich", meint sie. Auch in diesem Fall werden also wohl mehrere E-Mails hin und her gehen - "zehnmal und mehr ist bei den Jugendlichen keine Seltenheit".

    Anregungen aus der Gruppe

    Dazu kommen die Gruppenchats mit gut einem Dutzend Teilnehmer. "Das ist eine spannende Sache, weil da oft tolle Anregungen aus der Gruppe kommen", sagt die Diplom-Psychologin. Die Jugendlichen, so ist ihre Erfahrung, schätzen dabei vor allem das Gefühl, dass ihnen jemand zuhört. Dabei kommt es auch immer wieder vor, dass die Experten mit brenzligen Situationen konfrontiert werden - jemand beispielsweise Suizidabsichten äußert. Im realen Leben wäre Vey gesetzlich verpflichtet, dagegen etwas zu unternehmen und die Polizei zu alarmieren. In der virtuellen Welt dagegen kann sie dagegen "nur versuchen rauszukriegen, ob im Umfeld jemand helfen kann". Das sei der Preis der Anonymität.

    Die Adresse der Plattform: www.bke.de

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