Artikel: Zehn Tage zu Fuß zum Zahnarzt unterwegs

9. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

Dr. Hans-Georg Hammers aus Lindenberg arbeitete vier Wochen lang in Nepal Lindenberg/Salambutar (sza). Dentalmedizinische Kunstwerke waren nicht nötig. 'Das da drüben war absolute Basis-Zahnheilkunde', erzählt Dr. Hans-Georg Hammers von seiner Arbeit in Nepal. Das Prinzip war einfach: 'Der Zahn hat ein kleines Loch, das kann gefüllt werden. Der Zahn hat ein großes Loch und wird gezogen.' Er opferte vier Wochen Urlaub für die Zähne der Nepali.

Der Lindenberger Zahnarzt arbeitete, wie schon im vergangenen Jahr, im Sushma Koirala Memorial Hospital, das in einem kleinen Dorf namens Salambutar liegt, nicht weit von der Hauptstadt Katmandu entfernt. Das Krankenhaus wird von Interplast betrieben, einem gemeinnützigen Verein aus Köln, und hat seinen Schwerpunkt in der plastischen Chirurgie. Die Zahnarztpraxis ist nur vier oder fünf Monate im Jahr besetzt, durch Ärzte wie Hammers, die ihren Urlaub opfern, den Flug nach Nepal aus eigener Tasche bezahlen und gegen Kost und Logis wochenlang dort arbeiten. Der Ruf der Klinik hat sich über das ganze Land verbreitet. Bis zu zehn Tage, erzählt Hammers, seien manche Nepali zu Fuß zur nächsten Buslinie unterwegs, um mit dem schaukelnden Vehikel zwei, drei Tage lang nach Salambutar zu fahren. Solides Dentalhandwerk ist gefragt, das den Nepali im Schnitt umgerechnet 1,50 Euro kostet, ein 'symbolischer Preis', so Hammers. Den Rest übernimmt Interplast. Vor viel größeren medizinischen Herausforderungen stehen seine Kollegen in der Chirurgie. Einmal kam ein Vater mit seiner zwei Monate alten Tochter in die Klinik. Der Kerosinkocher war explodiert und die Kleine war 'fürchterlich verbrannt und stand wirklich auf der Kippe'. Sie konnte gerettet werden, trotz der ausgewachsenen Infektion, die sie sich durch die falsche Behandlung in einem anderen Krankenhaus geholt hatte. Zu den Schmerzen kommt die Armut. Die Kleine war nur in ein Handtuch gewickelt und der Vater 'hatte fast nichts anzuziehen' - bei Temperaturen, die nachts auf den Gefrierpunkt sinken. Der Verein Interplast finanziert sich durch Spenden und durch Patenschaften. Für 25 bis 50 Euro im Monat kann ein Kind unterstützt werden. Diese Patenschaften hält Hammers für 'immens wichtig', weil gerade bei Brandverletzungen viele Patienten in einem so schlechten Zustand sind, dass sie erst über Monate hinweg aufgepäppelt werden müssen, bevor man an eine Operation überhaupt denken kann. Manchmal geht es auch etwas gröber zu. Dr. Joachim Lahme aus Lindau löste im vergangenen Jahr seine Praxis auf und spendierte die Einrichtung. Hammers war die ersten zwei Wochen mehr Monteur als Zahnarzt. Er durchbohrte Wände, verlegte Stromleitungen, schloss die Absaugpumpe an, installierte den Liegestuhl. Trotz der unruhigen Lage in Nepal hatte Hammers keine Angst. Aber er hält es nicht für unbedenklich, in das Krisen geschüttelte Land zu fahren. Das er nun schon zum zweiten Mal den Menschen dort hilft, sei nicht bloße Aufopferung für andere, sondern 'nicht ganz selbstlos', gesteht Hammers. Er pflege dort viele Bekanntschaften und lerne die Welt kennen. Außerdem sei es ein ganz anderes Arbeiten als in Deutschland. Ob er ein drittes Mal nach Nepal fliegt, lässt er noch offen. Schließlich sei der Flug teuer und während seiner Abwesenheit müsse er eine Vertretung in Lindenberg bezahlen. Vielleicht geht´s aber woanders hin. 'Es würde mich reizen, noch Ône andere Baustelle aufzumachen', sagt Hammers und denkt an Südamerika.