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Zechen auf Zeit bereitet vielen Kopfweh

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Zechen auf Zeit bereitet vielen Kopfweh

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    Kritische Stimmen zu Gastronomie-Konzept Kempten (se). In einer Kemptener Kneipe namens 'Stechuhr' bezahlen die Gäste nicht nach Anzahl ihrer Getränke, sondern nach der Zeit, die sie in dem Lokal verbringen. Was manche verleitet, schnell relativ viel Alkohol zu bestellen. Mit Folgen: 25 Einsätze verzeichnete die Polizei in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit der Gaststätte. Einzelne Wirtshaus-Gänger trafen die Beamten 'völlig hilflos' an, Anzeigen wurden erstattet. Eltern wandten sich in Sorge um ihren Nachwuchs ans Ordnungsamt. Dort sieht man allerdings keine Möglichkeit, das Konzept juristisch anzufechten.

    Die erste Stunde in der Kneipe kostet für Männer 15 Mark, die zweite zehn Mark, jede weitere einen Fünfer. Frauen zahlen zehn Mark in der ersten Stunde, danach sind für 60 Minuten fünf Mark fällig. Mit dem Zeit-Obolus sind die Kosten für alle Getränke-Bestellungen abgegolten. 'Wir haben das Preisniveau so niedrig gehalten, um unseren Gästen nicht das Gefühl zu geben, irgendein Limit reintrinken zu müssen', erklärt Konzessionsnehmerin Ronja Eichelmann.

    Der Verlockung, den Profit des Wirts zu schmälern, erlagen im vergangenen Jahr offenbar dennoch einige Gäste. Um dann entweder volltrunken das Lokal zu verlassen oder aggressiv auf andere loszugehen. Der Polizei liegen jedenfalls Anzeigen unter anderem wegen Körperverletzung und Ruhestörung vor. Auch wegen Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz wurde ermittelt: Bisweilen erhielten laut Polizei-Chef Walter Hensel auch Gäste unter 18 Jahren Schnaps.

    Bundesweit verbreitet

    Seit Januar betreibt nun ein neuer Geschäftsführer die Kneipe, die Ende August vergangenen Jahres eröffnet hatte. Freitags und samstags will er das 'Zahlen nach Zeit'-Konzept weiterführen. Vorfälle wie im vergangenen Jahr habe es heuer nicht mehr gegeben: 'Wir kontrollieren streng die Ausweise, wer zu jung ist, wird weggeschickt'. 16- und 17-Jährige bekämen 'keine harten Sachen.'

    Anhand eines Stempels würden sie gleich am Eingang als Minderjährige gekennzeichnet. Und um 24 Uhr sei für diese Klientel in jedem Fall Sperrstunde, während Volljährige am Wochenende in der Regel bis vier Uhr bleiben könnten.

    Nach dem gleichen Prinzip arbeiten bundesweit bereits einige Gastronomen, weiß Alwin Wegmann, stellvertretender Leiter des Ordnungsamts. Stadt und Polizei stünden dem Konzept zwar ablehnend gegenüber. Eine rechtliche Handhabe ist laut Wegmann indes nicht gegeben. Und in den vergangenen Wochen habe es tatsächlich keine Beschwerden mehr gegeben.

    Für Inspektionsleiter Walter Hensel bleibt diese Form der 'Erlebnisgastronomie' dennoch 'bedenklich' angesichts der Alkohol-Problematik in der Gesellschaft. Dem Ziel, Jugendliche nicht mehr als ohnehin den Alltagsgefahren auszusetzen, sei das Zeit-Trinken keinesfalls dienlich.

    Ähnlich äußert sich Werner Maisch, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Kempten. Er verstehe zwar, dass sich jeder Wirt etwas überlege, Gäste anzulocken: 'Es ist aber nicht Sinn der Gastronomie, dass sich die Leute volllaufen lassen.' Dies widerspreche allen Bemühungen, ein gewisses Niveau in den Kneipen zu halten.

    'Wer sich gezielt betrinken möchte, wird dies auch so tun', argumentieren dagegen die Unternehmer. Im übrigen habe die Stadt erst kurz vor Weihnachten erstmals Kritik an der 'Stechuhr' verlauten lassen. Und die sei unverzüglich aufgegriffen worden.

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