Fliegende Menschen, skurrile Fabelwesen, meterhohes Gras, drei riesige, fauchende Drachenhunde, Feuerstöße und Leuchtraketen – die Bregenzer Festspiele haben sich allerhand Knall- und Spezialeffekte einfallen lassen, um Mozarts 1791 komponierte Oper 'Die Zauberflöte' möglichst fantasievoll auf die Seebühne zu bringen.
Das bescherte dem Festival schon im vergangenen Jahr begeisterte Besucher und ausverkaufte Vorstellungen. Dieses Jahr, bei der Wiederaufnahme dieser zauberhaften Zauberflöte, ist es nicht anders: Es gibt nur noch Restkarten für die 29 Aufführungen in den nächsten viereinhalb Wochen. Bei der Premiere gestern Abend wurde erneut klar, warum die 222 Jahre alte Oper mit der etwas hanebüchenen Handlung beim Publikum so gut ankommt.
Da ist zunächst Mozarts Musik. Sie hat die Massen schon immer elektrisiert. Viele der Arien, Duette und Ensembles sind derart populär, dass sie auch jene gerne hören, die Opern nicht so mögen. Die besten Beispiele sind die berühmt-berüchtigte Arie der Königin der Nacht, die lustigen Einlagen des putzigen Vogelfängers Papageno oder Inniges wie Taminos 'Dies Bildnis ist bezaubernd schön'.
Eine andere einfache Antwort nach der Erfolgsfrage heißt: die Seebühne. Dieses einzigartige Podium in herrlicher Natur hält als Zugabe zum Bühnengeschehen schnatternde Enten und malerische Sonnenuntergänge bereit.
Das alles aber reicht nicht aus, den großen Zuspruch zur Zauberflöte zu erklären. Regisseur David Pountney hat mit seiner letzten Arbeit als Intendant in Bregenz aus der angestaubten Story um die vom Priester Sarastro entführte Königstochter Pamina und den Befreiungsversuchen des unbedarften Prinzen Tamino ein Fantasy-Spektakel in XXL-Dimensionen geschaffen – was das einzig Richtige auf der großdimensionierten Seebühne ist. Pountneys Zauberflöte verblüfft – unter kräftiger Mithilfe von Bühnenbildnern, Lichtdesignern und Puppenspielern – mit Farbe, Witz, einem Schuss Poesie und jeder Menge Action, Akrobatik, Stunts und Spezialeffekten.
Zudem bürstet Pountney die Mischung aus Krimi, Krieg und Märchen-Mysterium gehörig gegen den Strich. Sarastro ein ehrenwerter Priester? Nein, sagt Pountney. Entgegen gängigen Interpretationen spricht er ihm edle Absichten ab, führt stattdessen einen Bösewicht vor, der die geraubte Pamina gar der Vergewaltigung durch den geilen Monostatos, preisgibt. Gnadenlos lotst der Regisseur Klerus und Adel in den Untergang und kehrt im - leider zu kitschig geratenen - Schluss die aufklärerischen und bürgerlich-emanzipatorischen Gehalte heraus.
Die Bregenzer Zauberflöte ist ein unterhaltsames Gesamtkunstwerk mit Tiefgang, bei dem nicht nur die Sommerfrischler und Open-Air-Fans auf ihre Kosten kommen, sondern auch eingefleischte Opernfreunde. Die durchweg stimmgewaltige Sängerriege, die in den nächsten Wochen in wechselnden Besetzungen auftritt, tut ihr Übriges dazu. Ebenso das differenzierte und feinfühlige Spiel der Wiener Symphoniker unter Patrick Summers, wenngleich das Musikantisch-Flotte ein wenig unterbelichtet bleibt. Dazu liefert die High-Tech-Lautsprecheranlage mit Surround-Sound den Zuschauern Opernkino für die Ohren.
(Restkarten unter Telefon 0043/5574/4076).