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Zauber und Schrecken einer globalisierten Welt - Ausstellung Überall und nirgends in Oberstdorf

Kunsthaus Villa Jauss

Zauber und Schrecken einer globalisierten Welt - Ausstellung Überall und nirgends in Oberstdorf

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    Zauber und Schrecken einer globalisierten Welt - Ausstellung Überall und nirgends in Oberstdorf
    Zauber und Schrecken einer globalisierten Welt - Ausstellung Überall und nirgends in Oberstdorf Foto: charles abarr

    Eine Welt, in der die Grenzen immer durchlässiger werden, schürt manche Angst und manche Hoffnung. Vor allem bietet sie aber die Chance, andere Kulturen kennenzulernen und sich von ihnen befruchten zu lassen. Solch kulturellem Austausch widmet sich die Ausstellung 'Überall und nirgends' im Oberstdorfer Kunsthaus Villa Jauss. Sie stellt dabei auch die Frage, ob und wo man als steter Wanderer durch die Kulturen ein Zuhause finden kann. Auf drei Stockwerken präsentiert sie Gemälde, Fotografie, Skulptur aus aller Welt. Aktuelle Kunst, die sich kritisch mit der eigenen Kultur auseinandersetzt, Einflüsse anderer Kulturen spiegelt oder einen unbequemen Blick von außen auf uns Vertrautes wirft.

    Der Brite Wolfe von Lenkiewicz zum Beispiel kratzt in einem großen Gemälde von 2011 am Sockel des Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe, verfremdet Tischbeins Gemälde 'Goethe in der Campagna' von 1786 und staffiert den darauf dargestellten klassischen Italienreisenden zusätzlich mit deutschem Ordenskreuz auf der Brust und dem Dürerhasen im Schoss aus, so als trage der Mann stolz seine Nationalität wie ein Banner oder einen Schutzschild in der Fremde vor sich her.

    Auch die amerikanische Malerin Julie Hefferman zitiert meisterhaft die Kunstgeschichte: Barocke Jagdstillleben liefern ihr die Basis für ein 'Selbstportrait als Quelle'. Aus dekorativ arrangierten, erlegten Tieren erhebt sie sich wie eine Naturgöttin. In den dunklen Hintergrund des Bildes sind kleine Mordszenen eingearbeitet wie Ornamente in eine kostbare Tapisserie. Gebiert nur der Tod neues Leben?

    Fragen über Fragen werfen die Werke auf, die aus der Sammlung von Reydan Weiss aus Essen stammen, selbst eine Wanderin zwischen den Kulturen. Und doch ist dieser Bilderbogen zeitgenössischer Kunst mehr als ein buntes Sammelsurium. Sehr genau hat das Team, das die Schau nach Oberstdorf brachte – John Patrick Kohl, Wolfgang Schoppmann und Kuratorin Karin Pernegger, designierte Leiterin des Kunstraums Innsbruck –, Beziehungen zwischen den Arbeiten hergestellt. Und zwar weniger nach Herkunft – auch wenn es einen Raum mit chinesischer Kunst von der begeisterten einfachen Kommunardin bis hin zum gelangweilten, zigarettenrauchenden Wohlstandswesen gibt –, sondern vielmehr nach inhaltlichen Zusammenhängen.

    Wo kann der Mensch Orientierung finden?

    Da werden gleich im ersten Raum zentrale Fragen diskutiert: 'Woher kommen wir? Wer sind wir?' rätselt der Japaner Yasumasa Morimura in seiner Foto-Arbeit, die einem modernen Hexenritt durch die Lüfte gleicht: Ein Paar in Abendgarderobe erfreut sich nur noch von der Hüfte an abwärts bester Gesundheit, der obere Teil der Gestalten zeigt blankgeputzte Skelette. Letztere können sich jedoch auch wieder in ein Symbol der Unendlichkeit verwandeln, wie die Mäuseschädel beweisen, die der Brite Alastair Mackie zu einer Kugel zusammengesetzt hat.

    Mit den ausgewählten Arbeiten aus ihrer Sammlung sorge Reydan Weiss für 'ein Gastspiel der großen weiten Welt in Oberstdorf', erklärte Dr. Wolfgang Nettesheim, der Vorsitzende der Initiative Villa Jauss, bei der Eröffnung der Ausstellung. Er meint damit wohl nicht nur die Herkunft der Künstler, sondern vor allem auch die Qualität ihrer Arbeiten. Sie betören den Besucher mit einem verschwenderischen Reichtum an Fantasie und führen ihn in einen 'exotischen Garten', der zugleich zu begeistern und zuerschrecken vermag.

    So wie das gleichnamige Gemälde des Belgiers Thomas Lerooy: Auf einem Männerkörper, dessen Muskelgewebe freigelegt ist, thronen als Kopf Giraffenkörper, die wie Schlangen zu einem Knäuel verschlungen sind. Ein Sinnbild menschlicher Gedanken: kühn, hochfliegend und knifflig zugleich. Wo kann der Mensch in einer überbordenden Bilderwelt, in unserer Welt, Orientierung finden, ein Zuhause? Überall? Oder nirgends?

    Öffnungszeiten: bis 30. September, zu sehen donnerstags bis sonntags jeweils von 15 bis 18 Uhr.

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