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Zappelphilipp oder Träumer?

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Zappelphilipp oder Träumer?

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    Bad Grönenbach (mz). - ADS - es gibt kaum jemanden, der Kinder hat und die Bedeutung dieser Buchstaben nicht spätestens im Kindergarten kennen lernt: Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, gegebenenfalls noch mit Hyperaktivität (ADHS) gepaart. Bei einem Vortrag in der Aula der Sebastian-Kneipp-Volksschule Bad Grönenbach gab es nun Verhaltenstipps für Lehrer und Eltern.'Hallo, ich bin der XY und ich habe ADS', so habe sich bei der Schuleinschreibung im letzten Jahr ein künftiger Erstklässler vorgestellt, erzählte Konrektorin Karin Dürst. Diplom-Psychologe Hermann Hodrus verdeutlichte in seinem Vortrag, dass AD(H)S fast schon ein Modephänomen unserer Tage sei. Dabei sei die Problematik so neu nicht: Bereits im 'Struwwelpeter' aus dem Jahr 1850 sei der Zappelphilipp ausführlich und mit allen bekannten Symptomen treffend beschrieben worden. Lehrern und Erziehern, die glauben, dass die Problematik erst in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sei, müsse zugestanden werden, dass sich das Umfeld für einen 'Hypie', wie Hodrus den ADHSler nennt, in den letzten Jahrzehnten massiv verschlechtert habe. Dies könne den Eindruck schaffen, dass man es hier mit einem neuen Phänomen zu tun habe. Man denke nur einmal an die heutige schnelllebige Informationsgesellschaft mit Fernseher, Computer, Playstation und Handy. Selbst im Unterricht gebe es außer der Anweisung des Lehrers noch viele andere Nebenschauplätze: Stühlerücken, Stimmen von außen, das Flüstern zweier Mitschüler.

    Totale Verwirrung die Folge Ein 'Stino' - wie Hodrus einen 'stinknormalen Schüler' bezeichnet - könne jedoch problemlos wichtige von nebensächlichen Informationen trennen. Ein 'Hypie' dagegen reagiere mit totaler Verwirrung und Hilflosigkeit auf die Fülle der Eindrücke. Erwachsene ermahnen ihn daraufhin in der Regel, was seine Hilflosigkeit verstärke und im Normalfall neue Rügen nach sich ziehe. Man könne sehen, dass das eingeschliffene Erzieherverhalten in eine Spirale aus Unverständnis, Unvermögen und zunehmende Aggression führt. Deshalb seien unter Drogensüchtigen und Kriminellen auffallend viele ADHSler. Dann gebe es noch die wesentlich unauffälligeren ADSler: Die Träumer, die ebenfalls bereits im 'Struwwelpeter' als 'Hans-guck-in-die-Luft' erwähnt werden. Diese Erscheinung werde oft nicht so ernst genommen. Fakt sei aber, dass bei den Betroffenen eine Aufmerksamkeitsstörung vorliege. Hodrus illustrierte dies mit einem Fall aus seiner Praxis: Eine Patientin, die in Grundschulzeugnissen immer als 'still, verträumt und zurückgezogen' - typisch für ADS - beschrieben wurde, habe mit Mitte 40 ihr erstes Buch gelesen. Erst mithilfe von Medikamenten sei es ihr gelungen, ihre Aufmerksamkeit dauerhaft auf das Lesen zu lenken, ohne ständig abzuschweifen. Hodrus gab allen, die mit AD(H)Slern zu tun haben, einige 'Goldene Regeln' an die Hand: Kluge konsequente Regeln, langer Atem und immer ruhig bleiben. Auch wenn betroffene Kinder oft recht aufgeweckt wirkten, seien sie häufig emotional entwicklungsverzögert und litten unter einem geringen Selbstwertgefühl. Dies gelte es unbedingt zu stärken. Den Eltern gab der Diplom-Psychologe etwas zum Nachdenken mit auf den Weg: 'Ist es für das eigene Kind wichtiger, die Schule mit dem Abitur abzuschließen oder diese möglichst seelisch unbeschadet zu überstehen?'

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