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Zahnspange: Kieferorthopäden lehnen billigeres Kassenmodell ab

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Zahnspange: Kieferorthopäden lehnen billigeres Kassenmodell ab

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    Zahnspange: Kieferorthopäden lehnen billigeres Kassenmodell ab
    Zahnspange: Kieferorthopäden lehnen billigeres Kassenmodell ab Foto: heiko kÖhntopp

    Beim ersten Besuch mit ihrem Sohn legte der Kieferorthopäde ihr zwei Fotos vor: Das eine zeigte ein Kind mit Zahnklammer, bei der vor lauter Metall die Zähne kaum mehr zu sehen waren - die Krankenkassenversion, die die Mutter als wahre "Schreckensspange" in Erinnerung hat. Das andere ein fröhliches Kind mit unauffälliger Zahnspange - die Variante mit privater Zuzahlung (siehe Foto). "Die Mutter war sehr verunsichert, ist sogar tagelang vor Schulen gestanden, um zu schauen, was andere Kinder für eine Spange tragen", berichtet Cornelia Wagner, Projektleiterin der Zahnmedizinischen Kompetenzstelle und Ansprechpartnerin bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands. "Das ist kein Einzelfall. Viele Eltern wissen nicht, was sie mit den Angeboten der Ärzte anfangen sollen, fühlen sich emotional erpresst", sagt die Expertin. Sie wollen das Beste für ihr Kind, aber das Geld habe nun mal nicht jeder.

    Fakt ist: Kinder unter 18 Jahren bekommen eine Behandlung komplett von der Krankenkasse erstattet, wenn eine starke Fehlstellung vorliegt (siehe Infokasten). Fakt ist auch: Lehnt ein Arzt eine Behandlung ohne jegliche Mehrleistungen und somit private Zuzahlung der Patienten ab, verstößt er gegen das Kassenarztrecht. Schwarze Schafe scheint es trotzdem zu geben.

    1300 Euro pro Kind bezahlt

    Ein Vater aus dem Oberallgäu hat mit seinen Kindern mehrere Ärzte im Raum Kempten aufgesucht, die eine Behandlung ohne private Zuzahlung verweigerten. Daraus zieht der Mann folgenden Schluss: "Allem Anschein nach haben diese Ärzte eine kartellähnliche Abmachung", sagt er, "da mussten wir resignieren und haben die 1300 Euro pro Kind bezahlt".

    Dr. Anton Schweiger ist Kieferorthopäde in Kempten und Referent für Kieferorthopädie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB). Er will nichts von einer kartellähnlichen Abmachung wissen: "Uns ist kein aktueller Fall aus der Region bekannt, in dem ein Arzt Druck auf Eltern ausgeübt hätte", sagt er. "Jeder gesetzlich Versicherte hat einen Rechtsanspruch auf eine zuzahlungsfreie Behandlung". Wird jemandem die Behandlung tatsächlich verweigert, solle man sich an die KZVB wenden.

    Die Kieferorthopäden im Allgäu würden ihren Patienten im Gegenteil durch Zusatzverträge mit den Krankenkassen sogar Mehrleistungen ermöglichen, von denen sie selbst nicht profitieren. Bei der AOK gibt es seit 2006 einen solchen Qualitätsvertrag, bei der BKK Bayern seit 1. Januar. Darin sind Behandlungsmethoden oder -materialien inbegriffen, die die normale Kassenleistung übersteigen.

    "Die Resonanz der Ärzte ist erfreulich; fast alle haben sich entschlossen, ihren gesetzlich versicherten Patienten, so eine höherwertige Versorgung ohne Zuzahlung anzubieten" sagt Schweiger. Auch Günther Erdtl, Direktor der AOK Kempten-Oberallgäu, bestätigt, dass alle Ärzte in seinem Zuständigkeitsbereich den Vertrag abgeschlossen hätten. Der Patient bekomme so Leistungen für 700 Euro quasi geschenkt.

    "Es muss nicht Mercedes sein"

    "Es braucht nicht immer die neueste Methode mit den schönsten Zahnklammern. Man kommt auch mit dem Golf ans Ziel, es muss nicht der Mercedes sein", sagt Cornelia Wagner von der Unabhängigen Patientenberatung. Trotzdem gibt es aus ihrer Sicht als Ärztin auch sinnvolle Zusatzleistungen, wie beispielsweise eine Versiegelung der Brackets.

    "Wichtig ist letztlich aber, dass der Arzt gute Aufklärung leistet, sagt, was nötig ist und was nicht und vor allem keinen zu einer Entscheidung drängt oder gar zwingt".

    Die KZVB erreichen Sie unter Telefon 089/ 72401-348. Die Unabhängige Patientenberatung unter Telefon 0800/ 0 11 77 22.

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