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Artikel: Woran krankt das Gesundheitssystem?

20. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Diskussion Ärzte, Kassen und Gewerkschaften über Sparzwänge und Zukunftsmodelle

Kempten | az | Um einen "Patienten" der etwas anderen Art - nämlich um das Gesundheitswesen selbst - ging es kürzlich bei einer Diskussion des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) mit Ärzten, Klinikvertretern und Krankenkassen. So befandDGB-Regionsvorsitzender Werner Gloning, dass die Politik auf dem Gebiet der Gesundheit derzeit versage. Den neuen Gesundheitsfonds beispielsweise nannte er eine "Missgeburt". Ein soziales Gesundheitssystem, so Gloning, sei finanzierbar - allerdings müsse man dafür alle noch vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven - etwa Doppeluntersuchungen - nutzen. Außerdem plädierte Gloning dafür, alle Einkommensarten - Stichworte Zinserträge oder Spekulationsgewinne - zur Finanzierung des Gesundheitssystems heranzuziehen.

Der Geschäftsführer der Kliniken Oberallgäu, Andreas Ruland, wies darauf hin, dass die Kliniken im Oberallgäu "nach einem schmerzlichen und schwierigen Prozess" wieder geschafft haben, "schwarze Zahlen zu schreiben". Seit Jahren stünden die Krankenhäuser unter einem massiven finanziellen Druck und jetzt sei die Grenze erreicht. Trotzdem würden die Sparzwänge weiter gehen. Das Hilfspaket der Bundesregierung reiche nicht aus, zumal es teilweise eine "Mogelpackung sei".

Dr. Andres Baumgarten, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbande Oberallgäu, beklagte, "dass immer weniger Geld beim Patenten ankommt". Durch überbordende bürokratische Kontrollen werde das System gelähmt. Es sei schon heute oft schwierig im ländlichen Raum Praxen noch neu zu besetzen.

Günther Erdtl, Direktor der AOK Kempten, sprach sich dafür aus, "die Gesundheitsversorgung nicht dem freien Spiel des Marktes zu überlassen". Die gesetzliche Versicherung habe sich in ihren Grundstrukturen seit 125 Jahren bewährt. Er lies Zweifel erkennen, ob der neue Gesundheitsfonds der richtige Weg sei, und sprach sich "für einen regionalen Dialog" unter den am Gesundheitswesen Beteiligten aus.

"Preis nicht weiter drücken"

"Was ist uns soziale Arbeit noch wert?" Diese Frage stellte Jutta Aumüller von der Gewerkschaft Verdi.

Aumüller: "Wir suchen uns für unsere pflegebedürftigen Angehörigen die billigste Einrichtung aus, und schimpfen dann, weil das Pflegepersonal nicht die erwartete Zuwendung aufbringen kann." So dürfe es nicht sein, dass durch Wettbewerb und private Anbieter der Preis der Arbeit im Gesundheitswesen noch weiter gedrückt wird.

In der Diskussion kamen weitere Probleme auf den Tisch - etwa die Fragen "brauchen wir so viele Apotheken?" oder: "warum sind bei uns die Arzneimittel wesentlich teurer als im Ausland?"