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Wo die Wiege tausender Städtler stand

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Wo die Wiege tausender Städtler stand

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    Von Brigitte Horn Immenstadt Wenn das altehrwürdige Marianum in der kommenden Woche der Abrissbirne zum Opfer fällt, verschwindet eine Immenstädter Einrichtung, die über vier Jahrzehnte hinweg lebhafte Städtle-Geschichte geschrieben hat. Taten in diesem besonders beliebten Entbindungsheim doch bis 1971 an die 9500 Oberallgäuer ihren ersten Schrei. Darüber hinaus übernahm das vom örtlichen Katholischen Frauenbund gebaute und geführte Haus eine soziale Funktion: Im angeschlossenen Säuglingsheim wussten ledige oder berufstätige Mütter ihre Sprösslinge bis zum Kindergarten-Alter in den besten (Schwestern-)Händen. Die Geschichte des Marianums geht bis auf das Jahr 1914 zurück, als der Frauenbund ein Säuglingsheim an der Mummener Straße schuf. 1930 wurde dann das neue, größere Domizil auf Pfarrpfründe-Grund an der Ludwig-Glötzle-Straße bezogen, dem ein Entbindungsheim angegliedert war. Die Franziskanerinnen von Maria Stern schufen eine so angenehme, familiäre Atmosphäre, dass bald nicht nur die Städtlerinnen, sondern Frauen aus dem ganzen Landkreis ihren Nachwuchs hier zur Welt brachten. Und eine im Fränkischen lebende Immenstädterin zogs sogar zur Geburt aller drei Sprösslinge ins heimatliche Marianum. Um dem steigenden Ansturm werdender Mütter auch weiter gewachsen zu sein, folgte Anfang der Sechzigerjahre ein Erweiterungstrakt, der bei der Einweihung als appetitliches, nach allen modernen Grundsätzen der Hygiene ausgestattetes Gebäude gelobt wurde und Platz für 25 Patientinnen bot.

    Auch dieses neuerliche Projekt bedeutete für den Immenstädter Frauenbund einen enormen Kraftakt, musste der Träger doch bei Gesamtkosten von 720000 Mark gut eine halbe Million aus Eigenmitteln, Darlehen und Spenden finanzieren. Wobei der Marianums-Betrieb erstaunlicherweise trotz hoher Zins- und Tilgungslasten weiterhin ohne öffentliche Zuschüsse bewerkstelligt werden konnte. Zwischen 400 und 500 Babys starteten in der Folgezeit pro Jahr im Immenstädter Entbindungsheim ins Leben. Als vorbildliche soziale Einrichtung betrieb der Katholische Frauenbund daneben ein Säuglingsheim, in dem sich die Schwestern um 40 Mädchen und Buben bis zum dritten Lebensjahr kümmerten, deren Mütter unter der Woche keine Zeit für sie hatten. Von diesem für die damalige Zeit ganz und gar nicht selbstverständlichen Angebot machten nicht nur Alleinerziehende, sondern beispielsweise auch Hanfwerke-Arbeiterinnen dankbar Gebrauch. Das Aus für das Marianum kam 1971, nachdem das Krankenhaus eine geburtshilfliche Abteilung eingerichtet hatte. Inzwischen von der Diözese Augsburg übernommen, fristete das große Gebäude in den folgenden 30 Jahren eher ein Schattendasein mit verschiedenen Funktionen: Es diente dem pensionierten Sonthofer Pfarrer als Wohnung, erlebte wenig erfolgreiche Mutter-Kind-Kuren, beherbergte den Missionskreis und das Kindersachen-Stüble sowie als Interrimslösung den Pfarrsaal, später eine Druckerei und eine Papierverarbeitung, außerdem wurde es bis vor drei Jahren als Alterssitz für Pfarrhaushälterinnen genutzt. Zum Abschiednehmen für einen Neuanfang hatte dieser Tage Pfarrer Alois Zeller einen kleinen Kreis von Städlern zusammengerufen, die mit dem Marianum eng verbunden waren: Repräsentanten des Frauenbunds von denen etliche das Entbindungsheim noch aus eigenem Erleben kennen des Pfarrgemeinderats und der Kirchenverwaltung sowie das langjährige Hausmeister-Ehepaar Maurer. Dem anfangs etwas wehmütigen Austausch von Erinnerungen folgte dann rasch der Blick in die nahe Zukunft (siehe Stadthäuser für Städtler reserviert).

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