"Was? Der Chor kommt nicht? Das Orchester auch nicht? Katastrophe!" Schauspieler Martin Theuer stieg bei seinem "Musikalischen Dramolett" auf der Bühne im Oberstdorf-Haus mit hohem Tempo ein. "Glücklicherweise" stand da schon ein Perkussions-Set bereit, an dem Schlagwerker Klaus Dreher die ganze Stuttgarter Philharmonie samt Chor und Orchester ersetzte.
"Schiller for one" war der Titel dieses Zwei-Mann-Stücks zu Ehren des 250. Geburtstags unseres größten (?) Theaterdichters, im Rahmen des Musiksommers. Was hätten auch Chor und Orchester bei einer Podiumsdiskussion unter vier Schiller-Experten zu suchen, die der Mime Theuer "spontan" inszenierte?
Der schwäbelnde Professor
Auf dem fiktiven Podium nehmen Platz: ein stark schwäbelnder Professor mit störend permanenter Neigung zur Weißweinflasche, ein Chefredakteur, ein Regisseur und ein Schauspieler. "Moderator" Theuer lässt jeden kurz zu Wort kommen: "Schiller ist tot. Weil seine Sprache tot ist.
" - "Kürzen, kürzen, kürzen!" Trotzdem beginnt jetzt unvermittelt der deklamatorische Teil des Abends mit ungekürzten Schiller-Texten, am Schlagwerk untermalt von Paukenschlägen, Beckenklingeln und Glockenspielchen.
Eine gar schröckliche Ballade
"Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen", tönt es da aus Schillers scharfzüngig gefüllter Aphorismenkiste; "Toren hätten wir genug, Fratzen die Menge, doch leider helfen sie selbst zur Komödie nicht." Die gar schröckliche, nicht ganz unbekannte Handschuh-Ballade folgt, meisterlich deklamiert. Und darauf der Höhepunkt des Abends, noch zu Kaisers Zeiten in jeder deutschen Schulstube ehrfürchtig auswendig zu lernen - das "Lied von der Glocke":
20 Minuten Schillersches Pathos-Feuerwerk, alle paar Sekunden ein bildungsbürgerlicher Merksatz-Knaller, das Crescendo-Finale steigert sich bei Theuer zu schauerlich-überlautem Schreien, theatralisch-gestisch ahmt er das Hin- und Herschwingen der Glocke nach, im Takt der gnadenlosen Paukenschläge Zweifellos eine schauspielerische Glanzleistung. Ebenso meisterhaft wie nach der Pause die dramatische Lesung (aus dem gelben Reclam-Heftchen) der Apfelschuss-Szene aus "Wilhelm Tell".
Der aufgesetzte Rahmen
Auch die weniger bekannte "Jüngling zu Sais"-Ballade, esoterisierend untermalt von Klangschalen, und zum Schluss das allegorische Gedicht vom Musenross Pegasus - Martin Theuer rezitierte die Texte mit professioneller Leidenschaft. Bloß aufgesetzt wirkte der fragmentarische "Rahmen" einer "Podiumsdiskussion".
So blieb der Gesamteindruck: ohne distanzierende Relativierung der Aktualität Schillerscher Texte imposant, aber nicht überzeugend.