Nahe Kraftisried sind am Samstag zwei Windkraftwerke gesprengt worden. Planmäßig fielen die beiden erst zehn Jahre alten Bauwerke zu Boden. Es gab keinerlei Zwischenfälle.
Sprengmeister Olaf Hoyer aus dem Oberallgäuer Buchenberg ist zwar schon viele Jahre im Geschäft. Aber zwei Windräder in Trümmerhaufen zu verwandeln, das ist auch für ihn Neuland. Würde die Luft, die sich in den Röhren der Stromgiganten befindet, nach dem Sturz durch die Wucht des Aufpralls gleich einer Kanone unten aus den Masten schießen? Beton oder Plastikteile mitreißen und womöglich jemanden der 250 Schaulustigen verletzten?
Darum ist Hoyers Vorgabe am Samstagmorgen um kurz vor 10 Uhr: Nach den Zündungssignalen lieber Schutz hinter einem der Bäume auf dem Haarberg bei Kraftisried (Ostallgäu) suchen. Auch wenn die 100 Feuerwehrmänner der Wehren Kraftisried und Wildpoldsried das Areal bereits weitläufig und effektiv abgesperrt haben - so dass niemand dem Geschehen zu nahe kommen kann.
Als um 10 Uhr das Warnsignal ertönt, hält jeder den Atem an. Nur das vibrierende Rotoren-Geräusch von zwei Flugdrohnen, die in etwa 100 Meter Höhe über dem Geschehen schweben und filmen, ist zu hören. Dann ist er mit einem Mal da: der ohrenbetäubende Explosionsdonner. Gleich darauf beginnt sich der erste Stromspargel langsam zu neigen. Es scheint eine kleine Ewigkeit zu dauern, bis der graue Gigant sich dem Boden nähert - übrigens genau auf den Bereich, auf dem eigens der Humus weggeschoben worden war, um die Aufräumarbeiten hinterher zu erleichtern.

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Dann kracht das 590-Tonnen-Ungetüm auf die Erde. Plötzlich hört man noch einmal eine Explosion, genauso laut, wie beim ersten Mal. Doch es ist das Aufschlagen des Rotors in den Boden, sagt Hoyer später. Wie eine abgestürzte Saturn-Mondrakete liegt der Stromgigant nun zerschmettert auf der Wiese.
Drei Minuten später erschüttert wieder ohrenbetäubender Explosionslärm die Idylle auf dem Haarberg. Die zweite Anlage stürzt genauso plangenau auf die Seite und schlägt auf dem Boden auf. Wieder gibt es ein vermeintliches zweites Explosionsgeräusch. Betonbrocken und Kunststoffteile fliegen teils 20, 30 Meter durch die Luft, eine dicke Staubwolke bildet sich.
Die unten entstandene Öffnung zeigt genau in Richtung einer Menschengruppe, die aus Verantwortlichen der Firmen Allgäuer Überlandwerk (AÜW, Eigentümer der Anlagen) und Geiger Oberstdorf (das Unternehmen ist mit den Arbeiten rund um die Sprengung befasst) sowie Feuerwehrmännern und Pressevertretern besteht. Die Luft aus dem riesigen umgestürzten Masten wird in ihre Richtung gedrückt. Aber der befürchtete heftige Rückstoß bleibt aus, Trümmer fliegen nicht weit genug, um gefährlich werden zu können. Bei der Sprengung wird niemand verletzt. Um 10.05 Uhr, nach fünf Minuten, ist der Spuk bereits vorbei. Die beiden Riesen liegen am Boden.
Als um 10.10 Uhr ein dreifaches Signal ertönt, bedeutet dies Entwarnung. Und sofort setzen sich, aus vielen Richtungen kommend, Verantwortliche wie Schaulustige in Bewegung, um die Sache aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Viele Neugierige haben ein fröhliches Grinsen im Gesicht, so als hätten sie selbst erfolgreich den Sprengknopf gedrückt. Eine Gruppe Kinder diskutiert heftig, inwiefern die Tiere im Wald durch den Krach gestört wurden.
Rotor schlägt im Wald ein
Es zeigt sich, dass einer der Rotoren in ein Waldstück eingeschlagen ist und eine kleine Schneise geschlagen hat. 'Damit habe ich aber gerechnet', sagt Sprengmeister Hoyer. Das habe sich nicht vermeiden lassen. Das ganze Areal gehöre einem Landwirt, mit dem man sich schon vorher in jeder Hinsicht geeinigt habe, sagt AÜW-Sprecher Stefan Nitschke.
Beide sind hochzufrieden mit dem Ergebnis des Tages: 'Die Anlagen, liegen da, wo sie liegen sollen und niemand ist zu Schaden gekommen.' Auch die für die Sicherheit mitzuständigen Feuerwehrkommandanten Stefan Burger (Wildpoldsried) und Benjamin Eberle (Kraftisried) sind froh, dass alles reibungslos geklappt hat. 'Es war zwar schwierig, die aus allen Himmelsrichtungen herbei strömenden Schaulustigen zu kontrollieren', sagen beide. 'Aber die Leute waren letztlich doch sehr vernünftig und haben sich an unsere Vorgaben gehalten.'
Für die Mitarbeiter der Firma Geiger geht die Arbeit - das Aufräumen - am heutigen Montag erst los. 'Am meisten werden uns der Beton und die Fundamente aufhalten', sagt Bauleiter Stefan Feneberg. 'Ich denke, es wird vier Wochen dauern, bis alle Trümmer weggeräumt sind.'