Kempten | rot | Am Ladentisch angelehnt, wartet die blonde Verkäuferin auf Kunden. Vielerlei "Kolonialwaren" hat sie anzubieten. Freilich sind ihre Bonbons, Schokotafeln und Gewürze aus Gips für Menschenmägen nicht geeignet. Umso mehr können aber die Augen genießen beim Anblick der vielerlei Spielsachen von anno dazumal, zu denen auch dieser kleine Kaufladen gehört. Die Spielzeugwelt ist derzeit im Allgäu-Museum zu sehen.
Die weißhaarige Frau sieht sich um und kriegt große Augen: "In dem Spielzeuglädele schauts ja haargenau so aus, wie einst in meinem Lebensmittelgeschäft, wo sich Schublade an Schublade reihte und eine eiserne Waage bereitstand." Als Josefine Hindelang stellt sie sich vor und erzählt voller Stolz, dass sie vor Jahrzehnten an der Jenischstraße nahe der Burghalde einen Laden samt Käsabteilung hatte. Und dann setzt sich die 87-jährige Kemptenerin auf den nächststehenden Hocker, "um noch in aller Ruh die netten Spielsächele anzugugge".
So wie ihr geht es in diesen Tagen wohl vielen Besuchern, die zum Kornhaus spazieren. Museumstüre auf - und da steht sie, die Kaufladen-Parade. Ein paar Schritte weiter lachen Porzellan-Babys aus Puppenstuben, Baukästen scheinen auf flinke Bubenhände zu warten. Und da schau her: Schwarz glänzende Loks und Wagon-Modelle, wie sie in normaler Größe jahrzehntelang durch den Kemptener Bahnhof fuhren, stehen jetzt in einer Spielzeuglandschaft zur Abfahrt bereit. Nur Lokführer und Kontrolleur sind nicht zu sehen. Suchen sie noch den Abfahrtsplan? Nein, sicher nicht, denn all die Figuren, Fahrzeuge und Einkaufsläden wurden in den vergangenen 100 Jahren von Erwachsenen gebastelt und gebaut. Ein Großteil der Ausstellungsstücke stammt aus der Sammlung der inzwischen verstorbenen Elfriede Roggors (wir berichteten).
In 50 Jahren hat die Duracherin Spielzeug aus dem zurückliegenden Jahrhundert zusammengetragen. Und weil zudem Kemptener Familien sowie das Allgäu-Museum ihre gut gehüteten Spielzeugschätze beigetragen haben, können die Ausstellungsbesucher altbekannte und oft längst vergessene Lieblingsdinge entdecken. Wie man sich dabei fühlt? Gudrun Foitzik hat es erlebt: "Plötzlich habe ich eine Puppe entdeckt, die meiner Linda-Puppe zum Verwechseln ähnlich sah", erzählt die Dietmannsriederin und ihre Augen werden feucht, als sie sagt: "Es war wie eine Zeitreise in meine Kindheit, in der Linda meine liebste Gefährtin war."
Die Ausstellung "Kaufläden & Spielzeug" ist von Dienstag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
