Füssen | hs | Bayerisch ist die Wohnküche seines Hauses im Weidach eingerichtet. Viel Holz, ein gemütlicher Ofen, auch das Kreuz fehlt nicht - ebenso wenig ein weiß-blauer Bierkrug. Allerdings fällt der etwas aus dem Rahmen in einem Land, in dem die staatstragende Partei Wahlergebnisse von unter 50 Prozent als mittlere Katastrophe einstufen würde: "Die bayerische SPD" prangt auf dem Krug - schließlich sitzt der Besucher bei Dr. Paul Wengert. Er ist wieder heimgekehrt nach Füssen. Und er fühlt sich hier gut: "Von der Seele her, vom sich wohlfühlen ist der Königswinkel unschlagbar."
Zwölf Jahre Bürgermeister in Füssen, anschließend sechs Jahre Oberbürgermeister in Augsburg - und dann die Überraschung: Wengert verlor die OB-Wahl. Das schmerzt den gestandenen Kommunalpolitiker mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein noch immer. "Ich blicke nicht im Zorn zurück, aber ich bin wehmütig. Denn mit diesem Wahlergebnis ist eine Entwicklung unterbrochen worden, die auch objektiv eine sehr gute war."
Schnell aufgerappelt
Wengert wäre freilich nicht er selbst, wenn er sich nicht schnell aufgerappelt hätte. Nach einem Anruf des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Franz Maget, stand fest: Wengert tritt im Ostallgäu zur Landtagswahl an. Er sieht gute Chancen, ein weiteres Mandat für die Region zu holen. "Selbst Kreise, die mir politisch nicht nahestehen, finden es toll, dass ich kandidiere."
Bei diesem politischen Ziel kann er auf Parteifreunde bauen, "die ich nie aus den Augen verloren habe". Er wurde mit offenen Armen aufgenommen: "Die Reaktion der Leute war sehr positiv, das hat mich wirklich gefreut." Wobei Wengert einräumt: Während seiner OB-Zeit in Augsburg hatte vor allem seine Frau Bärbel den Kontakt nach Füssen aufrecht erhalten. "Sie fühlt sich hier sauwohl" - er aber habe bei den langen Arbeitstagen als OB nur selten die Zeit gefunden, nach Füssen zu fahren. "Letztes Jahr waren wir nur 33 Tage hier, manchmal sind wir nur zum Rasenmähen gekommen. Und manchmal sind wir mit Wehmut in Richtung Augsburg gefahren."

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Wobei Wengert seine Zeit in der Schwaben-Metropole als sehr interessant einstuft. "Ich konnte viele Erfahrungen sammeln." Was ihm aber fehlte: "Ich bin fast nicht mehr in die Berge gekommen, weder zum Wandern noch zum Skifahren." Aktivitäten, die er jetzt nachholen will - wenn ihm die Zeit dafür zur Verfügung steht. Denn der Wahlkampf fordert ihn jetzt voll und ganz, sodass er die Angebote der "Wohlfühl-Region" kaum nutzen kann.