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Wie im richtigen Leben und doch anders

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Wie im richtigen Leben und doch anders

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    Kempten (mor). - Der Mittagstisch ist seit zwei Tagen ausgebucht. 'Wer geht mit zum Einkaufen?' fragt Hartmut daher in die Frühstücksrunde, während beim Wäscheservice die Bügeleisen eingesteckt und in der Schneiderwerkstatt die Aufträge besprochen werden. Es ist ein ganz normaler Vormittag in der sozialpsychiatrischen Tagesstätte Haus Lichtblick des Diakonischen Werkes. Seit vier Jahren ist die Einrichtung ein Treffpunkt für jene, die von einer psychischen Erkrankung betroffen sind. Anders als bei einem Armbruch oder einer anderen körperlich sichtbaren Beeinträchtigung haben die Gäste in der Lichtblick-Tagesstätte mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Mit Vorurteilen beispielsweise, Kontaktschwierigkeiten, neugierigen Blicken. Für Josef war deshalb nach dem Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus klar, 'mit diesem Umfeld will ich nichts mehr zu tun haben'. Dennoch wagte er vor einem Jahr einen ersten Besuch in der Tagesstätte und war begeistert: 'Ich durfte einfach nur da sein. Ich wurde begrüßt, aber das war auch alles.' Josef kam immer häufiger. Langsam suchte er selbst Kontakte zu Mitbesuchern. Heute ist er ein 'aktiver Stammgast', der anderen am Computer bei Bewerbungen hilft und auch das Lichtblick-Team entlastet. Josef hat ein ganz anderes Selbstwertgefühl bekommen. Ähnlich ging es auch Hartmut, der in der Therapie das Kochen lernte. Er hatte über seine psychische Erkrankung seinen Freundeskreis verloren, inzwischen neue Freunde gewonnen - auch außerhalb des psychiatrischen Umfeldes. Hartmut kam zum 'Probekochen' und sorgt nun regelmäßig mit für das leibliche Wohl der Lichtblick-Gäste.

    Familiäre Atmosphäre 'Die Atmosphäre ist familiär. Wir leben, arbeiten, freuen uns und streiten auch schon mal - wie im richtigen Leben', so Tagesstättenleiter Olaf Höck. Ziel sei eine 'Kultur des Sein dürfens', der Akzeptanz und des gemeinsamen Tuns zu pflegen. Das sei für die Besucher wichtig. Denn für sie sei die Tagesstätte mit dem Café; Lichtblick ein Schutzraum, in dem es keine Rolle spiele, wenn sich ein Gast ungewöhnlich benehme: 'Dadurch, dass die übrigen Gäste ähnliche Erfahrungen haben, ist untereinander viel mehr Toleranz und Verständnis da.' Auch Josef habe hier Toleranz erst so richtig kennen gelernt. In den letzten vier Jahren ist somit auch das Selbstbewusstsein der Einrichtung gewachsen: 'Wir gehören zu den Wurzeln der Stadt', meinen Besucher und Tagesstättenleitung. Allein schon durch das Café; finden mehr Kontakte statt, wenngleich die Tagesstätte keinen öffentlichen Café;betrieb hat. 25 Plätze der Tagesstätte finanziert der Bezirk Schwaben. Durchschnittlich besuchen monatlich 117 Frauen und Männer die Einrichtung, 50 seien Stammgäste, 35 bis 40 arbeiten aktiv mit, so Höck. Mitarbeiten bedeutet auch Zuverdienst. Die meisten leben von einer kleinen Rente oder sind arbeitslos. Insgesamt gibt es in Schwaben acht solcher Einrichtungen. Im 'Café; Lichtblick' der Diakonie am St.-Mang-Platz 12 kann mit fachkundiger Hilfe hier ein Tag gestaltet werden. Die Besucher dürfen mitbestimmen und mitarbeiten, Ideen einbringen und umsetzen. Es gibt einen Wochenplan mit verschiedenen Freizeit-, Bildungs- und Zuverdienstmöglichkeiten. Kontakte mit der Öffentlichkeit gibt es über das Altstadtfest oder vor Weihnachten mit der Fensterbilderöffnung, bei Ausflügen oder Festen mit anderen Tagesstätten.

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