Von Markus Bär, Kaufbeuren - Wer sich mit Fritz März über das Thema Erziehung unterhält, bemerkt sehr schnell, dass er es mit einem Gelehrten zu tun hat: Der 68-jährige Kaufbeurer kommt dann verbal in Fahrt, spricht wie ein Wasserfall, springt fundiert und druckreif von Jean-Jacques Rousseau zu fatalen Erziehungszielen in China und im Dritten Reich oder gibt einen Einblick darin, was Schulen heute leisten können - und was sie nicht leisten können. Seit 1970 ist März Professor für Pädagogik in Augsburg, wo er auch heute noch, obwohl seit drei Jahren emeritiert, immer noch Vorlesungen hält. Und nebenbei hat er im Laufe seines Berufslebens über 4000 Seiten Fachliteratur zum Thema Pädagogik verfasst, unter anderem eine fast 800 Seiten umfassende 'Personengeschichte der Pädagogik'. Einige seiner Veröffentlichungen sind auch ins Spanische, Portugiesische und Italienische übersetzt worden. Im Gespräch verdeutlicht März, dass Erziehungsziele relativ sind. Während der Nazi-Herrschaft war die Bereitschaft zum Kampf ein Erziehungsziel und dieses war aus der damaligen Ideologie heraus auch folgerichtig. In kommunistischen Ländern war wiederum der Hass auf den Klassenfeind ein Ziel. Gültiges Fundament für März ist aber das christliche Abendland. Und daraus folgen für ihn als Erziehungsziele Mitmenschlichkeit, Friedfertigkeit, Toleranz oder die Menschenrechte. Der größte Pädagoge des 20. Jahrhunderts ist für März Hermann Gmeiner, der die 'S. O. S.-Kinderdörfer' ins Leben rief. Eher ein Negativ-Beispiel ist für ihn der französische Aufklärer Rousseau, 'der erst fünf Kinder zeugt, dann im Findelheim abgibt und schließlich sein pädagogisches Hauptwerk schreibt'. Auch die aktuelle Diskussion, ob und wie Schule erziehen soll, beschäftigt den Pädagogen, der 30 Jahre lang Lehrer ausgebildet hat. 'Schule kann nicht erziehen, das ist im Prinzip nicht möglich', meint er.
Schule könne Wissen vermitteln, die Erziehung müsse hingegen in erster Linie von den Eltern kommen. 'Wichtig ist dabei eine feste Bezugsperson', sagt März. Das kann die Mutter, der Vater, beide oder auch die Großmutter oder ein Onkel sein. Wichtig sei nur, dass der Erziehende eine feste Bindung aufbauen kann, verlässlich ist und Geborgenheit vermittelt. Im Rückblick sieht er die Ergebnisse der Pädagogik als eher mager an. 'Oft wurde geglaubt, dass durch Pädagogik eine Gesellschaft immer besser werden kann.' Als Beispiel nennt er den Versuch in der früheren Ud SSR, den 'Prototyp eines sowjetischen Menschen' zu erschaffen. Auch die '68er' hätten probiert, durch Erziehung eine andere bessere Gesellschaft zu erreichen. Beides habe nicht funktioniert. Erziehung müsse aber grundsätzlich statt finden, denn ohne diese 'wäre die Welt noch schlechter', meint März, der sich in diesem Zusammenhang weniger als Pessimist, sondern eher als Realist sieht. Nichtsdestotrotz hält er weiter gern Vorlesungen in Augsburg. 'Das ist einfach schön für mich, mit den jungen Leuten noch Kontakt zu haben.' Ansonsten lebt er gern in Kaufbeuren, schon allein, weil seine Frau Kaufbeurerin ist. 'Wir hatten damals auch überlegt, nach Augsburg zu ziehen. Aber dann haben wir uns gegen dieses nebelige, flache Lechfeld entschieden. Da ist es hier schöner', meint März. Zitat Eher ein Negativbeispiel ist für mich der französische Aufklärer Rousseau, der erst fünf Kinder zeugt, dann im Findelheim abgibt und schließlich sein pädagogisches Hauptwerk schreibt.} Professor Dr. Fritz März